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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 73
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Eine Kindheil und Jugend im Hanauerland

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Der Vater hielt die Festpredigt über den 100. Psalm. Herrlich war es,
daß wir alle uns freuen konnten. Denn kein einziger Mann unseres Kirchspiels
war gefallen, keiner ernstlich verwundet worden. Das Vaterland war
geeinigt, ein Kaiser war uns geschenkt, prachtvolle Männer waren seine
Räte, tapfer und treu hatte sich das Volk erwiesen; fest begründet schienen
unsere Hoffnungen auf eine friedvolle Zukunft.

Die größte Freude nach der Beendigung des Krieges war die Rückkehr
unserer Truppen. Die von Straßburg aus über den Rhein kamen, marschierten
über Kork und hatten hier das erste Quartier auf deutschem Boden
. Sie kamen alle auf der Landstraße durch Kehl und Neumühl. Alle
durchziehenden Truppen - soweit wir von ihrem Kommen wußten - wurden
durch Spalier bildende junge Mädchen mit Blumen und Zigarren beschenkt
. Wie oft bin ich dort gestanden! Die zur Einquartierung bestimmten
Truppen wurden geehrt durch einen Empfang von Seiten des Bürgermeisters
und anderer Honoratioren. Da kamen einmal die badischen Leibgrenadiere
. Das war was ganz Besonderes. Dafür wurden auch „Katzenköpfe
" (Böller) aufgestellt. Der Bürgermeister hielt eine Ansprache, dann
wollte der Oberst antworten. Sobald er den Mund auftat - bum - ließ sich
der „Katzenkopf" hören. Das Schlachtroß bäumte sich auf. Jeder erneute
Versuch zu sprechen ging unter in einem gewaltigen Bum. Ich weiß bis
heute nicht, was der Oberst Stölzel sagen wollte, doch kann ich mir denken
, daß es etwas Schönes gewesen wäre; denn er war ein lieber guter
Mann von zartem Gefühl. Merkwürdig wie seine poetische Art auf das Regiment
abgefärbt hatte. Die Grenadiere wollten keine Zigarren von uns
Mädchen „O eine Blume! Geben Sie mir eine Blume". „Mir auch", so
hieß es immer wieder. Die Württemberger, die ein paar Tage vorher durchgekommen
waren, sagten dagegen befriedigt, wenn man ihnen eine Zigarre
reichte: „So, des ischt jetz doch ebs Verninftigs!" — Oberst Stölzel und sein
Adjutant waren bei uns im Pfarrhaus angesagt. Die Mutter hatte die Familie
zusammengerückt und unten für den Oberst das Besuchszimmer und
das anstoßende Gastzimmer bereitet, für den Adjutanten ein Zimmer im
oberen Stock. Da kam ein Unteroffizier und sagte: „ Der Herr Oberst sind
gewöhnt, zusammen zu wohnen mit dem Herrn Adjutanten." Der Mutter
kam das zwar sonderbar vor, aber mit Feuereifer kamen wir dem Wunsche
nach und richteten für beide Herren die Betten im Gastzimmer. Als das fertig
war, kam ein weiterer Unteroffizier, um unsere Vorbereitungen zu kontrollieren
: „Ja, der Herr Oberst können aber doch nicht im selben Zimmer
untergebracht werden wie der Adjutant!" Die Mutter erklärte, wie das gekommen
sei. Da habe der erste Unteroffizier jedenfalls unter zusammenwohnen
nur dasselbe Haus gemeint. Rasch wurden die Betten geändert,
und alles war fertig, als die Herren kamen. Die Regimentsfahne wurde gebracht
. Stumm und steif wie von Holz brachten einige Soldaten und Unteroffiziere
die Fahne, fanden mit sicherem Blick die schönste Ecke im Be-


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