Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 105
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Der Tod im Brauchtum des Renchtals

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wäsche und die Bekleidung der Toten wurde ebenso von gleichgeschlechtlichen
Dorfgenossen ausgeführt. Bei der Beerdigung von Verheirateten
sollten sich aus jedem Haus beide Ehepartner beteiligen, bei Ledigen nur
eine „opferbare" Person. Ebenso war jeder Teilnehmer verpflichtet, auch
die Totenmesse zu besuchen.33 Der Heimburger überwachte die Ordnung;
wer sie nicht einhielt, wurde mit empfindlichen Geldbußen belegt.

Die Ringelbacher Toten, deren Höfe zum Gericht Kappel gehörten,
mussten in Waldulm beerdigt werden. Der Leichentransport über die steile
Passstraße erwies sich noch anfangs des 20. Jahrhunderts als schwierig:
Die Straße hat (...) 22 Prozent Steigung. Vor mehreren Jahren wurden die
Leichen wie folgt zu Grabe gebracht: Man teilte einen Wagen in Vorder-
und Hinterwagen. Auf die zwei Räder des Vorderwagens spannte man den
Sarg mit einer Kette fest. Zwei Ochsen zogen nun dieses Gefährt den Berg
hinauf. Pferde, die einen Wagen mit der Leiche diesen steilen Weg hätten
hinaufzuziehen vermögen, waren in der ganzen Gemeinde nicht aufzutreiben
. Die Leiche zu tragen wäre ebenso unmöglich. So musste die Überführung
der Leiche auf solch unwürdige Weise gemacht werden. Heute schätzt
sich als einziger der Gemeinde der dortige Herr Bürgermeister so glücklich
, ein Pferd zu besitzen, und so ist auch obiger unwürdiger Sitte wenigstens
abgeholfen.34

In der Stadt bildeten die Zünfte eine enge Gemeinschaft, die sich auch der
Solidarität mit den Toten verpflichtet fühlte. In der Zunftordnung der Oberkir-
cher Hafner von 1687 wird auf die Teilnahmepflicht der Berufsgenossen verwiesen
. Wenn ein Zunftangehöriger, aber auch dessen Frau oder ein Kind oder
jemand aus dem Gesinde starb, musste dies dem Zunftmeister sofort angezeigt
werden. Dieser veranlasste, dass die Zunftmitglieder informiert wurden. Jeder
hatte beim Begräbnis zu erscheinen. Am Tage der Kreuzauffindung, dem religiösen
Feiertag der Zunft, hielten die Hafner ein Amt oder eine Orgelmesse
für die Abgestorbenen. Die Anwesenheit von Meister und Gesellen wurde
überprüft, wer fehlte, zahlte eine Strafe.35 Die Verpflichtung zur Solidarität erstreckte
sich auch auf die Fürsorge für die Toten.

Obwohl die Teilnahme an Beerdigungen heute niemandem mehr vorgeschrieben
ist, ist die Beteiligung der Dorfgemeinschaft im ländlichen
Raum bis heute eine Selbstverständlichkeit geblieben. Die Leute stellen
sich reichlich ein, besonders bei wohlhabenden Bauersleuten des Kirchspiels
, schrieb 1919 der Oppenauer Bürgermeister Josef Ruf. Man dient,
wie man bei einer Hochzeit sagt.36 In Nußbach gilt heute noch als ungeschriebenes
Gesetz, dass aus der Nachbarschaft die Sargträger gestellt werden
. Bürgermeister und Ratschreiber sprachen die Sargträger an, erzählt
der ehemalige Ratschreiber Franz Schuler. Wenn jemand ohne Entschuldigung
sich vor der altüberlieferten Verpflichtung drücken wollte, wurde er
noch in den 1960er Jahren vom Bürgermeister zur Rede gestellt. Hier wirkt
noch die alte Tradition der Gerichtsordnungen weiter.


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