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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 277
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Ein „Kapellensturm" in der großherzoglich-badischen Ortenau

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sonst gemeinschaftliche Andachten verrichtet werden; sondern sie dient
vielmehr als Obtach (sie) eines allda untergrabenen Bronnens, worinn des
Jahres hindurch kränkliche und allerley bresthafte Kinder gebadet werden
, durch welches Bad schon viele ihre Gesundheit erhalten haben. Besonders
ist zu erörtern, dass die Unterhaltung dieser Kapelle weder von
der Gemeinde noch Kirchenschaffney abhängt sondern wenn am Tach-
werk etwas zu reparieren war, so ist solches bisher blos von besonderen
Gutthätern geschehen". Die Kapelle war also stets kostenneutral unterhalten
worden, ein Grund zur Schließung aus finanziellen Gründen bestand
nicht.

Einem Bericht des Müllener Pfarrers vom 18. Oktober 1810 können
wir weitere Details zu diesem nicht nur lokalen Wallfahrtsort entnehmen:
„... befindet sich ein Häuschen mit einem Thürmchen, die St. Ulrichs Kapelle
genannt. Unter der Kapelle ist ein Brünnlein, das Ulrichsbrünnlein
von dem Hl. Ulrich, dem Paten hiesiger Pfarrkirche. Die Leute tragen ihre
Kinder, die lange kränkeln und nicht gesund werden können, 6 bis 7 Stunden
weit hierher und lassen sie in dem Brünnlein baden im Vertrauen, dass
sie in Bälde wieder gesund werden oder - welches fraglich eine sündhafte
und irreligiöse Absicht ist - dass sie, wenn es Gottes Wille nicht ist, dass
sie genesen, in Bälde ihrer Marter los und sterben sollen. Wirklich erzählt
man viele Beispiele von Kindern, die durch dieses Bad geneset und gesund
und kraftvoll aufgewachsen sind. Ob aber nicht auch schon manches Kind
durch unvernünftige Anwendung dieses Bades gestorben sey? Es wäre gut,
wenn keinen Leuten erlaubt wäre, ihre Kinder da zu baden, ohne dazu einen
Schein von einem Arzte vorzuweisen." Heute, im Jahr 2005, ist der
Ulrichsbrunnen noch vorhanden, seine unmittelbare Umgebung ist zu einer
gepflegten Anlage inklusive Heiligenskulptur gestaltet worden; die Kapelle
jedoch ist verschwunden. 1964 allerdings war noch eine „Ruine der
Ullrich-Kapelle mit Brunnen" vorhanden, so meldet es das historisch-topographische
Ortslexikon des Kreises Kehl, wo wir auch erfahren, dass diese
Kapelle erstmals 1373 erwähnt wurde.4

Und schließlich wurde noch aus Goldscheuer über eine Kapelle berichtet
. Der Vogt Rahner schrieb am 22. Oktober 1810 über „... eine Viertelstunde
von Marlen entfernt eine kleine, hölzerne von der Gemeinde erbaute
Kapelle, worin aber kein besonderes Bild verehrt und niemal eine
pfarrliche geistliche Handlung verrichtet und nur wöchentlich, wenn kein
Hinderniß vorfallt, bei dem dortigen Schulbesuche eine stille Messe gelesen
wird. Sodann pflegen die dortigen alten presthaften Leuthe wie auch
andere bei großer Kälte, schlechter Witterung und oft üblichen Wege
Sonntag nachmittags einen Rosenkrantz und Litaney zu beten in benannter
Kapelle."

Kapellen waren (und sind) kleine, bescheidene Orte der volkstümlichen
Andacht, die zur Geschichte und zum Gesicht einer Landschaft und ihrer


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