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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
85. Jahresband.2005
Seite: 419
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Villa Brandeck" in Hinterohlsbach und die Sozialdemokratie

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wonnen. Mit Hilfe des Offenburger Baumeisters Josef Haug und beträchtlichem
Aufwand wurde das einfache Holzhaus zu einer geräumigen, sturmsicheren
Villa mit der charakteristischen, umlaufenden Glasveranda umgebaut
, die heute im Originalzustand nicht mehr vorhanden ist. Strehlen, der
seine Ehefrau aus Innsbruck in die Einsamkeit nachkommen ließ, war ein
begeisterter Natur- und großer Menschenfreund und - für einen pensionierten
k.u.k.-Offizier ziemlich ungewöhnlich - offen und aufgeschlossen für
die sozialen Probleme der Zeit. Deshalb zählte bald das Häuflein der Offenburger
Sozialdemokraten (insgesamt 24) zu seinen Freunden, die hier
oben während der Zeit des Sozialistengesetzes (1878-1890) ihren „gemeingefährlichen
Bestrebungen" nachgehen konnten. Die Pflege der Verbindungen
und Kontakte untereinander fand bei geheimen Zusammenkünften
außerhalb der Stadt, bei Familienfesten und gemeinsamen Ausflügen in
die Umgebung statt. So entwickelte sich die „VILLA STREHLEN", wie
große Metallbuchstaben an der Gartenpforte verkündeten, zu einem Treffpunkt
der des gewaltsamen Umsturzes verdächtigten Genossen, die zum
großen Teil kleine Unternehmer, Handwerker mit größerer Werkstatt und
Kaufleute, d.h. keine Lohnabhängigen waren. In Offenburg erwuchs die
Sozialdemokratie aus den Kreisen angesehener, bürgerlicher Demokraten,
aus Schichten, in denen der Geist von 1847^-9 wachgeblieben war. Ihre
Anhänger wollten den erstrebten, künftigen Staat auf demokratisch-parlamentarische
Weise herbeiführen, gewissermaßen auf dem Weg natürlicher
Fortentwicklung, eher evolutionär als revolutionär.4

Der Ort im hinteren Ohlsbachtal nahm an konspirativer Bedeutung zu,
als im Frühjahr 1886 der Offizier a.D. zurück in seine Heimat Tirol zog
und das Anwesen zu großzügigen Konditionen, d. h. für die Übernahme einer
Hypothek von 4.000 Mark, was einer Schenkung nahekam, in den Kollektivbesitz
der Arbeiterpartei überging. Rechtsanwalt Oskar Muser
schloss den Vertrag am 5. März ab; der Fabrikant Paul Singer, gerade aus
Berlin ausgewiesener Führer und Reichstagsabgeordneter der SPD, war
laut Grundbuch Eigentümer. Durch Weisung des Badischen Ministeriums
des Innern wurde von diesem Zeitpunkt an die „Singer'sche Villa" (so die
Bezeichnung in den annähernd 200 Seiten umfassenden, zum Teil vertraulichen
Akten)5 überwacht, „insbesondere daraufhin, ob sich dort sozialistische
Agitatoren aufhalten". Ausführende Organe am Ort waren der Gendarm
Wehrle aus Ohlsbach und der Wachtmeister Sauer aus Gengenbach.
In ihren monatlich auf dem Dienstweg vorzulegenden Berichten an das
Großherzogliche Bezirksamt in Offenburg waren alle Beobachtungen und
Ermittlungen bezüglich der Bewohner und Besucher des Hauses in Hinterohlsbach
zu melden. Das beginnt im April 1886 „Singer noch nicht eingetroffen
" (Singer würde auch nicht eintreffen, er ist nie in der „Villa" gewesen
) und endet am 26. September 1892 (zwei Jahre nach Ende des Sozialistengesetzes
) „Singer'sche Villa seit drei Tagen von Redakteur Adolf


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