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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 176
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176

Martin Ruch

Ich habe den Beigeordneten Kraus beauftragt, die nötigen Erhebungen
im Krankenhaus vorzunehmen und mir zusammengefaßt zu berichten
. "4

Welche Verzweiflung gerade die älteren Juden empfunden haben, als 1942
die Deportationen nach Theresienstadt begannen, geht aus vielen Abschiedsbriefen
hervor. Ein Beispiel: Helene Waldeck, geborene Rosenfeld
(1862-1942), schrieb im August 1942 in Mannheim: „Ich scheide freiwillig
aus dem Leben, das ich nicht mehr ertragen kann. Es ist zu viel für einen
Menschen von 80 Jahren, der stets anständig durchs Leben ging. Hoffentlich
gelingt mir mein Vorhaben, ich habe die Tabletten schon viele Jahre
bei mir, schon bei dem Freitod meiner Tochter, mit der ich damals hätte
gehen sollen, da wäre mir viel erspart geblieben ..."5

Die im Zusammenhang mit den Offenburger Ereignissen mehrmals genannte
Ärztin Dr. Elisabeth Menne (1905-1996) verdient an dieser Stelle
eine besondere Würdigung und Ehrung. Sie kam 1933 nach Offenburg, wo
sie sich als praktische Ärztin niederließ. Vier Jahre später schrieb ihre ältere
Kollegin, Frau Dr. Herta Wiegand, geb. Lion, der man als Jüdin bereits
Berufsverbot erteilt hatte, voller Ahnungen in einem Brief: „Ein wenig faßt
einen auch ein Schauer, was wird das nächste Jahr bringen und hat man
auch die Widerstandsfähigkeit, dem allen zu begegnen? Man muß es abschütteln
und seine täglichen Pflichten ausüben und hoffentlich bleibt die
Menge der Arbeit so, daß man nicht zum Besinnen kommt. Es ist schade,
daß ich mit der netten jungen Collegin (Frau Dr. E. Menne) hier nicht arbeiten
kann, wir mögen einander gut leiden, sie benutzt jede Gelegenheit,
mit mir zusammen zu kommen."6 Daran erinnerte sich später auch Frau
Dr. Menne in einem Interview: „Mit den jüdischen Patienten hat man nicht
nur über Krankheit gesprochen, sondern da hat man auch viel mitbekommen
vom Leben der Juden, wie schwierig es geworden war, Klagen, alles
natürlich. Eine Patientin, ehe sie wegging, sagte zu mir: ,Hier haben Sie
ein Schreiben, die Zeit geht mal rum, und da hab ich geschrieben, daß Sie
immer gut zu den Juden gewesen wären und das werden Sie mal brauchen
.'"7

Die Quellen zeigen: Nach wie vor sind in den Ortsarchiven Belege über
die Scheußlichkeit und perfide Gemeinheit des lokalen Nationalsozialismus
zu suchen und zu finden. Es ist über sechzig Jahre nach dem Ende
des Terrors noch lange nicht die Zeit, mit der Quellensuche aufzuhören.
Wir sind es Menschen wie Rebekka und Isidor Kleeberg, Frau Dr. Wiegand
und Frau Dr. Menne schuldig.

„Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste
an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass


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