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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
86. Jahresband.2006
Seite: 328
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Erwin Fischer

Weiterhin erschallte ihr heller Klang. Während des Ersten Weltkrieges
drohte allerdings ihr Ende. Alle Bronzeglocken wurden für die Rüstung
beschlagnahmt. Betroffen davon waren die großen Glocken der Pfarrkirche
St. Brigitta und auch die kleine Glocke der Friedhofskapelle St. Michael.

Wie Werkmeister Rudolf Ketterer in einem Bericht festgehalten hat, wurde
im Juni 1917 sein väterlicher Baubetrieb Franz Ketterer in der Bühlerstra-
ße beauftragt, die Demontage der Glocken auszuführen. Zu den Einzelheiten
möchte ich Rudolf Ketterer zitieren, der als Jugendlicher im Alter von
noch nicht 15 Jahren die Demontage und das Verladen der Glocken auf
dem Bahnhof in Achern erlebte.

„Mit Wehmut verfolgten zahlreiche Zuschauer das Herunterholen der Glocken
an der Pfarrkirche. Als man sich rüstete das ,Armsünderglöckchen'
vom Friedhof zu holen, wünschte meine Mutter noch einmal den Klang der
kleinen Glocke zu hören. Ich erfüllte ihr den Wunsch und während des Geläutes
eilten viele Sasbacher auf den Friedhof und verliehen ihrem Zorn
wegen der sinnlosen Wegnahme der kleinen Glocke lebhaften Ausdruck.
Bald darauf stand das Friedhofsglöckchen, mit Trauerflor geziert, neben
den anderen Glocken auf einem Pritschenwagen im Hofe meines elterlichen
Betriebes.

War es Zufall oder Fügung? Kurz vor dem Abtransport kam Jakob
Ackermann, ein geistlicher Lehrer der Lenderschen Lehranstalt, am Elternhaus
vorbei und wollte das Glöckchen nochmals sehen. Laut las er die Inschrift
: , REQUIEM AETERNAM DONA EIS DOMINE (Herr gib ihnen
die ewige Ruhe)'. Auf einmal übermannte den sonst so zurückhaltenden
Mann ein heftiger Gefühlsausbruch. ,Eine Schande ist es, das kleine
Glöckchen wegzunehmen, mit dem kann man keinen Krieg mehr gewinnen
. Warum hat man das Glöcklein nicht heruntergeholt und vergraben.
Wenn es wenigstens jetzt jemand stehlen würde, s' wär wahrlich keine
Sünde.'

Dann las er nochmals laut den lateinischen Spruch und ging kopfschüttelnd
weg. Als Lenderschüler beherzigte ich die Worte meines verehrten
Religionslehrers und holte das Glöcklein vom Wagen, legte es in den
Trichter einer ausgedienten Rübenmühle hinter der Scheune und verbarg es
unter altem Gerümpel.

Ein glücklicher Zufall enthob uns aller Schwierigkeiten. Auf der Verladerampe
am Acherner Bahnhof lagerten bereits viele große und kleine
Glocken und es gelang, ein fremdes Glöcklein unterzuschieben, damit die
Stückzahl bei der Abnahme stimmte.

Als das Rätselraten um die verschwundene kleine Glocke verstummt
war, lüftete ich das Geheimnis. Nach einer Verwahrung im Büro unseres
Betriebes erhielt die kleine Glocke einen sicheren Ort auf dem Rathaus im


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