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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
87. Jahresband.2007
Seite: 47
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2007/0047
Hellmut Gnändinger, Forstdirektor a. D., Ottenhofen. 1909-2005

47

Kriegsgefangenschaft vom 5.9.1944 bis 3.1.1954

Nach den dramatischen und lebensgefährlichen Versuchen, sich durch und
vor der russischen Linie am Narew zur deutschen Front durchzuschlagen,
gerät Hellmut Gnändinger in Gefangenschaft, wird verhört und fast seines
ganzen Eigentums beraubt. Die Unterbringung ist teilweise menschenunwürdig
, die Verpflegung ist es ebenfalls, die Behandlung ist jedoch korrekt.
In fünftägigem Marsch schleppt sich der halb verhungerte Gefangenenzug
zum Lager Sokolow, wobei zweimal Panzer absichtlich in die Gruppe fahren
. Die Gefangenen werden von Polen und Juden beschimpft, bespuckt
und persönlich angegriffen und von der Wachmannschaft der Verpflegung
beraubt.

Nach Fahrt und Marsch durch halb Polen vorbei an Siedice, wo noch
vier Wochen zuvor eine der größten Panzerschlachten des zweiten Weltkrieges
getobt hatte, erfolgten weitere Verhöre und die Einweisung in das
Kriegsgefangenenlager Lukow, von wo aus der Transport zum Lager Brest
erfolgt: 90 Mann in einem Güterwagen.

Das Lager ist mit 2000 Mann belegt. Hier mussten die Gefangenen erstmals
über die Vereinbarungen von Teheran erfahren, wonach 100 000
Kriegsgefangene 20 Jahre lang zum Wiederaufbau in der Sowjetunion bleiben
sollten. Entlausung, Kälte und Wanzen gehörten zu den ersten Erfahrungen
.

Zum 5. Oktober erfolgt die Verlegung in das Lager Minsk nach langer
Fahrt im Güterwagen und nach einem 8-km-Marsch ins Waldlager, den
viele der halb verhungerten Gefangenen aus Erschöpfung nicht überleben.
Die Verpflegung bleibt knapp: eine dünne Suppe, etwas Brot, Fett, Zucker
und Tabak, wobei die Rationen der Offiziere wesentlich größer waren als
die der Mannschaft, was zu beabsichtigten Spannungen führte. Mit der Zeit
bildete sich eine feste Lagerordnung. Die Bewachung bestand überwiegend
aus Tschechen und Italienern. Geheizt wurde mit Torf, oft noch feucht und
dies erlaubterweise nur wenige Stunden am Tag, auch bei größter Kälte,
was dank eines humanen Lagerverwalters oft umgangen werden konnte.

Hart waren die Tage ohne Brot, das erste Weihnachtsfest und die Nachrichten
von der Bombardierung der Heimat, vom hunderttausendfachen
Tod von Frauen und Kindern in den Städten und von den Verlusten der
deutschen Armee, die an den bekanntgegebenen Gefangenenzahlen erkenntlich
waren.

Aber es gab auch schon erste Ansätze für eine Bibliothek und weitere
kulturelle Aktivitäten.

Notgedrungen mussten sich die Gefangenen auch mit den Theorien des
Kommunismus auseinandersetzen, wobei die „Antifa" und der „Bund
Freies Deutschland" politisch sehr bestimmend waren. Die Diskussion um
den 20. Juli 1944 führte besonders unter den Offizieren zu Blockbildungen
und zu erbitterten Feindschaften.


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