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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
87. Jahresband.2007
Seite: 382
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Walter E. Schüfer

Verläuft also die Entwicklungsgeschichte der Wiederentdeckung der
Schriften Moscheroschs und Grimmelshausens in groben Zügen gleichförmig
, so überrascht es, dass die Stadt Renchen schon 1876, zum zweihundertsten
Todesjahr von Grimmelshausen, dem Dichter ein Denkmal setzen
konnte - es steht neben der Stadtkirche Renchens auf dem Platz des alten
Friedhofes - Willstätt aber erst mehr als dreißig Jahre später, eben 1907,
daran dachte, an Moscherosch durch ein Denkmal zu erinnern. Schon 1869
wäre der zweihundertste Todestag Moscheroschs gewesen. Mir ist nicht
bekannt, dass dieses Datum irgendwo bedacht worden wäre.

Was sind die Gründe für diese Verzögerung - wenn ich es bei diesem
Vergleich Grimmelshausen - Moscherosch belassen darf?4 Einer der Gründe
dürfte die sehr verschiedene Schreibweise beider Autoren sein. Grimmelshausen
hat mit dem „Simplicissimus" eine durchgängige, geschlossene
Erzählung vorgelegt, deren Sprache relativ leicht verständlich ist, die alle
Kniffe kennt, Erwartungen des Lesers zu wecken, also spannend zu erzählen
. Moscherosch, der gebildetere von beiden, hat ein Werk mit allerhand
Brüchen geschrieben, denn die einzelnen „Gesichte" knüpfen nur in
geringem Maß an Vorausgegangenes an, sind zum Teil selbstständige Einheiten
. Eine größere durchlaufende Erzählung ist nur im Gesicht „Soldatenleben
" zu finden.5 Moscheroschs Texte sind bereichert durch französische
, niederländische und andere fremdsprachliche Fetzen, durch Passagen
in schwäbischem Dialekt und anderen Idiomen. Er machte in Randnotizen
und Einschüben Anmerkungen, die in weitläufige Verflechtungen der europäischen
Literaturen verweisen.

Grimmelshausens Schrift ist ein Roman, Moscheroschs dagegen eine
Folge von Satiren. Die Wirkungsabsicht beider Autoren ist verschieden.
Grimmelshausen will zwar auch, wie alle Literaten in diesem Jahrhundert,
den Leser belehren und auf den Weg der christlich verstandenen Tugend
weisen, doch versteht er, diese Absicht beim Erzählen zurücktreten zu lassen
, oder wie er sich ausdrückte, mit Lachen die Wahrheit zu sagen. Bei
Moscherosch treten die didaktischen und moralischen Absichten deutlicher
zutage. Er scheut sich nicht, zwischendurch in Lehrsätzen - manchmal im
Fettdruck - seine ethischen Ermahnungen vorzubringen. Kurz, das Andenken
Grimmelshausens erfasste weitere Kreise als das Moscheroschs.

Vielleicht muss man bei einem solchen Vergleich auch über Ursachen
sprechen, die außerhalb der Literatur selbst lagen. Renchen war der größere
Ort, hatte mehr Wirtschaftskraft. Ein günstiger Zufall kam der Stadt entgegen
. Eine Gruppe Renchener Bürger hatte ein Denkmal für die hingerichteten
Aufständischen von 1848 in Auftrag gegeben. Als die Aufstellung eines
solchen politisch brisanten Denkmals in Rastatt durch den Festungskommandanten
, einen preußischen General, nicht genehmigt wurde, kam man
auf die Idee, den schon hergestellten Sockel zugunsten von Grimmelshausen
umzuwidmen, an dessen Todesjahr 1676 man sich erinnern wollte.


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