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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
87. Jahresband.2007
Seite: 459
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Vom Leben der Juden auf dem Lande

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chen Grund: bis vor Kurzem war es ja den Juden verboten gewesen, Landwirtschaft
zu treiben.

Es wohnten etwa 10 bis 12 Familien hier, es war also eine kleine Gemeinde
. Ich habe Ihnen von den Bruchsalers erzählt, die zu meiner Kindheit
schon ältere Personen waren. Die hatten Söhne, die in Städten wie
Karlsruhe und Frankfurt und sonstwo gelernt haben und dort geblieben
sind, sich dort verheiratet haben. Wahrscheinlich haben 1923 viele Leute
schon mit dem Geld gelebt, das ihnen die Kinder geschickt haben, denn eine
Sozialversicherung gab es zwar, aber da es Händler waren und keine
Arbeiter, waren die Leute nicht sozialversichert. Es sei denn, dass sie selbst
eingezahlt hätten, was, wie ich glaube, nicht der Fall war. Es gab hier eine
Gewohnheit: die Familien auf den Dörfern hatten ja mehrere Kinder. Und
die jüngste Tochter blieb im Allgemeinen bei den Eltern. Sei es, dass sie
den Eltern geholfen hat zum Leben, sei es, dass sie das Geschäft übernommen
hat, wenn sie sich nicht verheiratet hat. Das Tragische war dann, wenn
diese Frau selbst alt geworden ist, hat sie nur verhungern können, denn die
Eltern haben nie daran gedacht, die Tochter zu bezahlen oder zumindest in
die Sozialversicherung einzuschreiben und Beiträge zu bezahlen, und viele
von den alten Jüdinnen, die so gelebt haben, haben gar keine Einkünfte gehabt
und waren meistens sehr arm. Es sei denn, dass die Eltern ein sehr gutes
Geschäft hatten, was schon eine Ausnahme war. Denn im Gegenteil zu
dem, was man glauben könnte, waren es kleine Juden, was die pekuniäre
Seite anbelangt. Reiche Juden hat es hier nicht viele gegeben. Wenn sie
reich waren, sind sie in die Stadt gegangen, wo die Möglichkeit sich zu
entwickeln größer waren, was logisch war.

(Talstr. 17) Das war auch ein jüdisches Haus hier, eine Familie Valfer,
die hatte ein kleines Spezereigeschäft. Der Eingang war hier. Sie hatten einen
Sohn. Vater und Mutter sind noch von hier nach Gurs deportiert worden
, der Sohn hat sich retten können. Das Haus ist natürlich umgebaut.
Auch wenn die Lage anders gewesen wäre, hätte man die Häuser verschönert
und verbessert und umgebaut. Nur möchte ich hinzufügen, weil ich von
den Einkünften gesprochen habe: Schon 1928-29 war das ein ganz kleines
Geschäft. Valfers haben in Offenburg bei Spinner, der Großhandel gemacht
hat, eingekauft, und sie hatten nicht viele Kunden. Sie haben am Minimum
gelebt, obwohl sie ein Geschäft hatten. Man hat manchmal glauben können,
es sind Geschäftsleute - in Wirklichkeit waren das ganz kleine Leute!"

Kirchensteuer an die Gemeinde wurde bezahlt?

„Kirchensteuer ja, natürlich. Doch da die Gemeinde sich verkleinert hat,
war kein Vorbeter mehr da, das Geld hat nicht genügt, einen Vorbeter zu
halten. Auch wenn der Staat ihn bezahlt hat, aber es hat sich eben nicht
mehr rentiert, es war keine Jugend mehr hier.


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