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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
87. Jahresband.2007
Seite: 536
(PDF, 115 MB)
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536

Forum

Hellseher, Medien und Wunderheiler: Wirken und
Wahrnehmung von Personen mit „paranormalen"
Fähigkeiten im regionalen Kontext (Beispiel:
Mittelbaden und Ortenau im 19. und 20. Jahrhundert)

Ein Forschungsaufruf des Instituts für Grenzgebiete der
Psychologie und Psychohygiene e.V. Freiburg (IGPP)

Die „Neue Kulturgeschichte" oder auch der „cultural turn" in den 1990er-Jahren haben den
Blick der Geschichtswissenschaft erheblich geweitet und in diesem Zuge viele zuvor marginal
erscheinende Untersuchungsgegenstände ins Blickfeld gerückt. Als ein besonderer Teilaspekt
dieser Perspektivenerweiterung wurde angeregt, in verstärktem Maße kulturelle, soziale
oder wissenschaftliche Grenzgänger, oder um es mit dem Ethnologen Werner F. Bonin
auszudrücken. ..Wunderlinge, Sonderlinge. Käuze" und ihre „Funktion in der Gesellschaft"
in die wissenschaftliche Betrachtung mit einzubeziehen.1 Zu diesen (vermeintlichen) Exoten
zählen insbesondere die Protagonisten der neuerdings von der Geschichtwissenschaft
ausgewiesenen „verzauberten Moderne".2 Es sind Personen und Gruppen am (vermeintlichen
) Rand der Gesellschaft, die der Sozialhistoriker Ulrich Linse vor über einem Jahrzehnt
in seiner Pionierstudie Geisterseher und Wunderwirker erstmals ausführlicher für das
19. und 20. Jahrhundert beschrieben hat: Hellseher, Magier, Medien, Somnambule, Spiritisten
. Visionäre. Wunderheiler. Das heißt: Personen mit selbst- oder fremdzugeschriebenen
„paranormalen" Fähigkeiten oder Vertreter des „okkulten Untergrund des Abendlandes".3
Während die englischsprachige Forschung diesbezüglich schon auf eine längere Tradition
zurückblicken kann, entdeckt die Geschichtswissenschaft in Deutschland diese oft nur
schwer einzuordnenden Lebensläufe und die mit ihnen verbundenen Lebenswelten nur zögerlich
, wenn auch inzwischen mit ansteigendem Interesse.4 Nils Freytag und Diethard Sa-
wicki, zwei Wegbereiter dieses Forschungsschwerpunktes, vertreten die Ansicht, als Historiker
/Historikerin müsse man sich „zunächst auf das Andere, Merkwürdige, Marginale in
seinen Quellen einlassen, um dann langsam ,von innen' die Vergangenheit zu verstehen und
zu erklären."5 Auf diesem Weg stößt man schnell auf zunächst fremd wirkende Biographien
, die aber alle „Teil jenes magischen Aufschwungs [waren], den spätestens die Wilhelminische
Gesellschaft erlebte."6

Im Kontext der mittelbadischen oder Ortenauer Regionalgeschichte sind inzwischen eine
Reihe solcher Personen beschrieben und ihre Lebensläufe rekonstruiert worden, allerdings
in unterschiedlich ausführlicher und fundierter Weise. Aus Offenburg stammte Ludwig
Kahn alias „Professor Alkadar" (1873-1966), der im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts
europaweit als „Hellseher" von sich reden machte und dabei besonders auch die Wissenschaft
zu Stellungnahmen herausforderte.7 Besondere Aufmerksamkeit erlangten in der
Region eine ganze Reihe von Personen, denen man spezifische Fähigkeiten als Heiler/Heilerin
zugesprochen hat, so etwa Wilhelm Böhler (gest. 1924) aus dem Dorf Haueneberstein
bei Baden-Baden, mit dessen Fall sich von 1904 bis 1906 die Rastatter Justizbehörden be-
fassten.8 Eine weitere Gestalt war der „Lorenzbur" aus Seebach. Andreas Huber (1884-
1954), der seit Mitte der 1920er-Jahre mehrere Jahrzehnte in den Achertalgemeinden und in
der nördlichen Ortenau als „Geistheiler" wirkte.9 Im Hanauerland praktizierte lange Zeit
mit ungewöhnlichen Methoden der Laienheiler Daniel Lacker (1877-1953) aus Mem-
prechtshofen10, aus der Riedgemeinde Altenheim stammten der „Wunderheiler" Johann Ge-


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