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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
88. Jahresband.2008
Seite: 85
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2008/0085
Franz von Papen als Wendelinusreiter

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von Weingarten ein Vorbild für den Nußbacher Wendelinusritt. Nach der
„Katakombenzeit" des Dritten Reiches, in der kirchliche Aktivitäten aus
dem öffentlichen Raum hinausgedrängt wurden, sahen Geistlichkeit und
engagierte Christen die Chance, durch religiöse Massenveranstaltungen
mit Eventcharakter verlorenes Terrain wiederzugewinnen, zumal der Krieg
und die Not der Nachkriegszeit zu einer Renaissance der Religiosität geführt
hatten. Der Nußbacher Pfarrer Fridolin Bigott, ein „barockaler
Mensch"7, erkannte sofort, dass diese Reiterprozession durch die herbstliche
Landschaft hinauf zur idyllisch gelegenen Wallfahrtskapelle bei jedem
Zuschauer und Pilger unvergessliche Eindrücke hinterlassen musste. Presse
, Film und Fernsehen8 berichteten in der 1950er-Jahren in großer Aufmachung
über den Nußbacher Wendelinusritt und hielten malerische Bilder
des Ereignisses fest. Dass die Wallfahrt und der Wendelinusritt eine überregionale
Beachtung fanden, lag jedoch nicht nur am religiösen Brauchtum
, sondern auch an den zeitgeschichtlichen Wirkungen.

Der „Herrenreiter" Papen - eine Provokation für viele Katholiken

Gewaltige Resonanz erregte die Teilnahme des ehemaligen Reichskanzlers
Franz von Papen am Wendelinusritt. Papen hatte im Erlenhaus in Obersasbach
seinen Ruhesitz genommen und war Mitglied des Fautenbacher Reitervereins
, der sich regelmäßig an der Reiterprozession beteiligte. Außerdem
war er eng mit dem Nußbacher Pfarrer Fridolin Bigott befreundet -
beide waren „Ritter vom Heiligen Grab". Papen war zu dieser Ehre gelangt
, weil er als deutscher Botschafter in Ankara angeblich die Zerstörung
Jerusalems und der heiligen Stätten im Zweiten Weltkrieg abgewendet hatte
. Bigott wurde in Straßburg als „Retter des Straßburger Münsters" gefeiert
, weil er unter Lebensgefahr den Beschuss der Stadt durch die Mei-
senbühler Bunkerartillerie verhindert hatte, und durch die Ernennung zum
„Ritter vom Heiligen Grab" besonders geehrt.9

Es erregte großes Aufsehen, als Franz von Papen 1954 in der Pose des
Herrenreiters mit Zylinder die Reiterprozession anführte, während der
geistliche Wendelinusreiter, der aus China vertriebene Kapuzinerbischof
Gratian Grimm und zwei Kapläne hinter ihm ritten. Nach dem Ritt nutzte
Papen das Forum - auf dem Platz neben der Kapelle waren mehrere tausend
Pilger versammelt - für einen öffentlichen Auftritt:

„Als alter Reitersmann richtete Herr von Papen eine Kurz-Ansprache an
die Wendelinusreiter und Pilger Im Zeitalter der Technik solle der Mensch
seinen treuen Helfer, das Pferd, nicht aufgeben. Große Freude sei es für
ihn zu sehen, dass die Liebe zum Pferd in der jungen Generation nicht erstorben
ist. Die Einladung zum Nußbacher Wendelinusritt (...) sei ihm eine
hohe Auszeichnung. "10


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