http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2009/0143
143
Jüdische Sportjugend in Offenburg nach 1933
Martin Ruch
Prolog
Im Frühjahr 1933 bereiteten die deutschen Turner ihr 5. Deutsches Turnfest
in Stuttgart (21. - 30. Juli 1933) vor. Aus diesem Anlass bat Edmund
Neuendorff, der Vorsitzende der Deutschen Turnerschaft, Adolf Hitler um
die Schirmherrschaft. In diesem Antragsschreiben war zu lesen: „Mit ungeheurem
Jubel ist von der gesamten Deutschen Turnerschaft der Sieg der
Deutschen Freiheitsbewegung und die Ergreifung der Macht durch Sie
mein Führer begrüßt worden. Die Deutsche Turnerschaft hat sich sofort
der nationalen Regierung zur Verfügung gestellt (...) und sie hat, soweit
es überhaupt noch nötig war, sofort eine Neugestaltung ihres äußeren und
inneren Aufbaus vorgenommen. Die verhältnismäßig wenigen Marxisten
und Juden, die sich in der Turnerschaft befanden, haben sie verlassen
müssen. (...) Der Führergedanke ist durchgeführt. (...) Schulter an Schulter
mit SA und Stahlhelm tritt die Turnerschaft den Vormarsch ins Dritte
Reich an."
Schon im April 1933 hatte der Vorstand der Deutschen Turnerschaft tatsächlich
eine Satzungsänderung einstimmig beschlossen, die den „Arier-
Paragraphen" der Nationalsozialisten in schärferer Form enthielt, als es
selbst das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom
März 1933 vorsah. Man wollte nämlich in Zukunft auf „Vollarisierung"
achten, also auch sogenannte Halb- oder Vierteljuden ausschließen. Unter
den ersten Städten, die gegen den jüdischen Sport vorgingen, war Köln.
Die dortige Stadtverwaltung verbot jüdischen Sportlern die Benutzung der
städtischen Spiel- und Sportplätze bereits im März 1933.1
Im Mai 1933 wurde dann der „Deutsche Reichsausschuß für Leibesübungen
", die Dachorganisation des deutschen Sports, gleichgeschaltet
und aufgelöst, im Juli 1933 erfolgte die Übernahme der organisatorischen
Leitung des deutschen Sports durch die beiden SA-Gruppenführer von
Tschammer und Osten. Am 2. Juni 1933 war ein Runderlass veröffentlicht
worden: „Alle Jugendpflege und Leibesübungen treibenden jüdischen Vereine
und Organisationen sind aus den Orts-, Stadt-, Kreis- und Bezirksausschüssen
auszuschließen und ihnen jegliche Vergünstigungen zu versagen
."2 Der Reichssportführer schrieb aber Ende Oktober 1933 noch: „Gegen
sportliche Betätigung selbstständiger jüdischer Vereine, gegen die keine
polizeilichen Bedenken bestehen, habe ich nichts einzuwenden. "3
Im November 1934 wurde die Turn- und Sportjugend in die HJ übergeführt
und damit als eigene Organisation aufgelöst. Der Arbeiter Turn- und
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2009/0143