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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
89. Jahresband.2009
Seite: 303
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Der Froschmäusekrieg

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unentwirrbare Kürzel und Ligaturen, die ohne Kenntnis des erst zu erschließenden
Zusammenhangs keinen Sinn machen. Ein kleines psi entpuppte
sich zum Beispiel als epsilon plus ny! Alle griechischen Buchstaben
, sowohl die schwarzen, wie auch die roten, sind auch deshalb so
schwer zu entziffern, weil sie selten dem Normalalphabet entsprechen.
Vielleicht spiegeln sie die flüchtige zeitgenössische Minuskelkursive byzantinischer
Gelehrter? Der Eindruck, eine Handschrift und nicht einen
Druck vor Augen zu haben, wird auch noch durch das raufasrige Büttenpapier
untermauert. Eine weitere Schwierigkeit tauchte bei den roten Scholien
auf: Während der Originaltext im Abgleich mit den gedruckten Editionen
unseres Homers verglichen werden und so trotz vieler Textvarianten
gelesen und übersetzt werden konnte, gab es diese Vergleichsmöglichkeit
ja bei den Scholien nicht: Ihr Inhalt ist nicht bekannt! Um ihn zu erschließen
, musste mit Hilfe mehrerer Lexika erst einmal eine komplette Konkordanz
von alt- und neugriechischem Alphabet mit allen Varianten angelegt
werden. Beim Entziffern, Lesen und Übersetzen des griechischen Textes
waren auch Unstimmigkeiten in der Metrik hinderlich: 10-20% der ca. 3oo
Verse weisen eine falsche Setzung der Längen und Kürzen der Vokale in
den Hexametern auf.11

Als letztes Hindernis bei meinem ersten Einstieg in das Werk erwies
sich die Tatsache, dass die gesuchte Jahreszahl nicht in Ziffern, sondern in
Buchstaben und als Ordnungszahl ausgeführt ist. Als Umschrift für 1486
war zu entziffern: „zyn etä chiliosto-tetrakosiosto-ogdoäkosto-hekto"
(= im 1486. Jahr). Für das V im Druckort Venedig steht im Griechischen
kein Buchstabe zur Verfügung, für „in Venedig" liest man daher: „eis-ue-
netian" (auch mit anderer Ortsauffassung!): „nach Venedig"!

Endlich gab mir der schwarze Schlussblock (Kolophon) sein erstes Geheimnis
preis. Die wörtliche Übersetzung der letzten acht Zeilen des Büchleins
lautet:

Im Namen der Heiligen Dreiheit
Des Vaters des Sohnes und des

Heiligen Geistes
Zusammenfügung von mir, Laonikos von Kreta
und Protothytos von Chania, im Jahre
eintausendvierhundertsechsundachtzigsten im Monat
April am zweiundzwanzigsten in Venedig

Damit werden nach der religiösen Anrufung des dreieinigen Gottes als Segensformel
für das Gelingen des Werkes die Namen der beiden Drucker
greifbar, nämlich der des Laonikos aus Kreta und des Protothytos aus Chania
, dazu die genaue Zeitangabe des Druckes, nämlich der 22. April des
Jahres 1486 und der Druckort Venedig.


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