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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
89. Jahresband.2009
Seite: 313
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Der Froschmäusekrieg

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kunst, Melpomene, erschaffen hat". Mit Nennung des Tigres kommt der
Autor auf die zweite Zeile des Buches zurück und wirft damit mehr Fragen
auf als zuvor. Ist der Scholiast der „Lehrer Herr Michael (tos)", der hier
gerechten Ruhm in der Nachfolge Homers fordert? Ist damit die Frage der
Autorschaft wieder offen? Ist oben mit den „heroischen Versen" ein Bezug
zu Homer angedeutet, mit „politischen" die Kritik an seiner Apotheose zu-
lasten des wahren Autors Tigres? Eine kritische Edition, die Weißgerber
angeregt hat und die es bislang nicht gibt, wäre hier eine echte wissenschaftliche
Aufgabe und könnte die Antwort geben.

Warum gibt es noch keine Edition? Warum gibt es „unseren venezianischen
Homer" als echte Rarität nur viermal auf der Welt, außer in Offenburg
noch in Paris, München und Manchester? Kann es sein, dass er seine
Erhaltung dem Umstand verdankt, dass etwas später handlichere und besser
lesbare Homerausgaben verfügbar waren? Ist damit unser schwarz-rotes
F 384 = rarum aus der Experimentierphase frühen griechischen Buchdrucks
auf uns gekommen als ein unhandlicher Ladenhüter?

Eine gigantische Kleintierschlacht mit homerischem Pathos

Ungewöhnlich wie die hier mit all ihren ungewöhnlichen Merkmalen vorgestellte
griechische Inkunabel aus Venedig ist auch ihr Inhalt, ihre Deutung
und, damit verknüpft, der Streit um die Autorschaft. Es handelt sich
in dem Epos um einen komisch-ernsten Eintageskampf zwischen zwei
Kleintierheeren, der auch den bombastischen und zungenbrecherischen
griechischen Titel ausmacht:

Batrachos = der Frosch, mys = die Maus, machä = die Schlacht
Batrachomyomachie = die Froschmäuseschlacht oder der Froschmäusekrieg
, in den besseren Handschriften meist als „Froschkrieg" (Batrachoma-
chia) überliefert. Aus harmlosen Anfängen lässt der Dichter in ca. 300 epischen
Hexametern einen Beinahe Vernichtungskrieg entstehen, der sogar
zweimal das Eingreifen der hohen olympischen Götter heraufbeschwört.

Zum Aufbau des Epyllions: Einem klassischen Musenanruf (1-8) folgt
ein beinahe märchenhaft idyllischer Anfang: Einst labte sich eine kleine
Maus, soeben den Fängen eines Wiesels entwischt, genüsslich am süßen
Wasser eines Teiches, als sie von einem Frosch angesprochen wird (9-
23).16 Eine hochepische, homerische Selbstvorstellung der königlichen Abstammung
beider Tierchen und ihrer Esskultur schließt sich an (24-55),
dann gleitet die Maus auch schon auf dem Rücken ihres neuen Freundes,
„der sie trug wie der Stier die Last seiner Liebe, Europa" über den Teich
in das Reich des Froschkönigs (56-81). Plötzlich aber macht eine Wasserschlange
der trauten Überfahrt ein jähes Ende: Der Frosch taucht ab, „und
entgeht dem dunklen Todeslos", die Maus ertrinkt vor den Augen ihrer
Stammesbrüder, die ihren Seemannstod vom Ufer entgeistert miterleben


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