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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
89. Jahresband.2009
Seite: 394
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Uwe Schellinger

1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau in der Nähe von
München verschleppt. Mit ihm zusammen wurde an diesem Tag Dr. Nehe-
mias Wehl, der Chefarzt des Sanatoriums, abtransportiert.9 Nicht zutreffend
ist deshalb die von Kluckert in einem früheren Aufsatz verbreitete
Ansicht, die Rothschild-Heilstätte hätte das Novemberpogrom gänzlich
„unbeschadet" überstanden.10 Zusätzlich zur Verhaftung des Leitenden
Arztes kam es offenbar am Abend des Pogromtages zu einem Aufmarsch
von Nationalsozialisten vor dem Sanatorium, bei dem judenfeindliche Reden
gehalten wurden und es zu massiven Beschimpfungen des Personals
kam.11 Im Grunde genommen war in Nordrach damit genau das Gleiche
geschehen wie in allen deutschen Dörfern und Städten mit jüdischer Bevölkerung
: man verhaftete im Verlauf des Pogroms sämtliche erwachsenen
männlichen Juden und verschleppte sie in Konzentrationslager, wobei die
badischen Juden nach Dachau kamen. Waren es beispielsweise im nahen
Gengenbach acht Männer und in Offenburg 6412, so verhaftete man in
Nordrach am Morgen des 10. November 1938 eben die beiden einzigen im
Ort lebenden jüdischen Männer.

Wolf Schmuel Borowitzky bekam im Konzentrationslager Dachau die
Häftlingsnummer 20971 zugeteilt. Er musste über zwei Monate im Lager
bleiben. Die Nordracher Gemeindeverwaltung unter der Leitung von
Bürgermeister Ludwig Spitzmüller meldete deshalb Anfang des Jahres

1939 auf Anfrage des Bezirksamts Wolfach - es ging nun um die Maßnahmen
zur angeordneten „Entjudung der gewerblichen Wirtschaft" -
dass „das Geschäft des hier wohnenden Juden Wolfgang Borowitzky seit
seiner Abführung in das Konzentrationslager still steht." Da der Fotograf
noch immer im Lager sei, gäbe es „niemand [...], der die Geschäfte besorgen
könnte." Allerdings gingen Borowitzkys Vertreter, so monierte
man in Nordrach, „immer noch auf seinen Namen zu den Leuten und machen
Bestellungen. Diese Bestellungen errreichen aber niemals ihre Erledigung
." Das Bürgermeisteramt wies darauf hin: „Es wäre gut, wenn öffentlich
vor diesen Leuten gewarnt würde, damit viele Volksgenossen vor
Schaden bewahrt bleiben."13 Kluckerts Interpretation, nach der der damalige
Nordracher Bürgermeister dafür gesorgt hätte, dass die im Ort lebenden
Juden „ordentlich behandelt wurden"14, scheint äußerst fragwürdig.
Die Rolle der Nordracher Gemeindeverwaltung und des Bürgermeisters
Spitzmüller in der Zeit des Nationalsozialismus bleibt ein offenes
Forschungsfeld.

Wolf Schmuel Borowitzky entschloss sich nach seiner Rückkehr aus
dem Konzentrationslager Dachau zur Auswanderung aus Deutschland. Er
verkaufte deshalb im Juni 1939 große Teile seiner Bestände für nur 1000
Reichsmark an die Firma Photo-Grimm in Offenburg. Etwa 20.000 fertig
produzierte Ansichtskarten und 1.500 Druckvorlagen wechselten bei dieser
Aktion weit unter Wert den Besitzer.15 Schon wenige Wochen danach


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