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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
89. Jahresband.2009
Seite: 429
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Oskar Wiegert

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am 1. Sept. 1928 in Offenburg. Beweggründe: Verbitterung über die wirtschaftliche
Notlage infolge meiner Arbeitslosigkeit." Wiegert spielt darin
wie die meisten anderen „alten Kämpfer" jegliche persönliche Verantwortung
herunter. Seine langjährige Tätigkeit als redaktioneller Mitarbeiter der
Lokalausgabe des Nazi-Hetzblattes „Ortenauer Volkswarte" und Presserat
des „Führers" bezeichnete er verharmlosend als Mitarbeit an einer „unpolitischen
Lokalbeilage".

Beliebtes Argumentationsmuster war für entlassene Nationalsozialisten,
sich selbst als inkompetent und renitent darzustellen, obwohl sie laut ihrer
Personalakte freiwillig und sehr engagiert Ämter in zahlreichen NS-Orga-
nisationen übernommen hatten. Dazu gehörte die Verharmlosung der eigenen
Aufgaben als „reine Büroarbeit" bzw. die Argumentation „Schlimmeres
" verhindern zu wollen. So schrieb Wiegert, er sei in mehreren Fällen in
Konflikt mit den „Parteigrößen" gekommen. Einmal schien dies auch zu
stimmen, als er Oberbürgermeister Rombach wegen einer Schulentscheidung
kritisierte. Dabei handelte es sich aber um keine politische Auseinandersetzung
. Wiegert gab an, er habe 1935 das Amt des Ortsgruppenleiters
übernommen, „in dem Wahn, daß es möglich sei, das Partei- und
Staatsgefüge durch die stärkere Beteiligung vernünftigdenkender Menschen
(wofür ich mich hielt) vor einer katastrophalen Entwicklung zu bewahren
." Er könne sich auch nicht „erinnern, jemals eine Anzeige gegen
ehemalige politische Gegner gerichtet zu haben oder auf Grund einer Denunziation
gegen jemand vorgegangen zu sein." Aus den Akten geht jedoch
hervor, dass Wiegert beispielsweise die Ablösung der zentrumsnahen
Lehrerin Amalie Tonoli mit unterzeichnet hat: „Frl. Tonoli war früher eifrige
Zentrumsagitatorin. Sie hat ihre weltanschauliche Haltung nicht geändert
. Sie bildet mit Hauptlehrer Würthle zusammen und den im Schulhaus
amtierenden katholischen Geistlichen eine Zelle der schwarzen Opposition
."22 Ebenso denunzierte er den Leiter des Hoch- und Tiefbauamtes
Wilhelm Lieberum, der 1936 im Kaffee Strübel sich kritisch über Oberbürgermeister
Rombach als Kreisleiter geäußert hatte. Gegen Lieberum wurde
wenig später ein Untersuchungsausschuss aktiv. Der Gemeinderat legte
diesem nahe, in Pension zu gehen. Rombach vereinbarte mit Lieberum
1937 eine Auflösung des Dienstverhältnisses. Im September 1938 beging
dieser aus Verzweiflung Selbstmord.23

Wiegerts Versuch, die NS-Vergangenheit loszuwerden und begnadigt zu
werden, ging weiter. Das Badische Ministerium für Kultus und Unterrichts
nahm jedoch ablehnend zum Gnadengesuch Stellung: „Ganz abgesehen,
dass Wiegert seit 1.9.1928 Mitglied der NSDAP war. Das Amt des Ortsgruppen
-, eines Gauabteilungsleiters und eines Ratsherrn bekleidete und
Dienstauszeichnungen der Partei in Bronze, Silber und Gold erhielt, sind
wir der Meinung, dass ein Lehrer und Erzieher, der sich eines Verbrechens
gegen die Menschlichkeit (hier durch aktive Beteiligung an der Judenver-


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