http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2010/0116
Rheinebene und Schwarzwald - ein dialektaler Gegensatz 115
So passiert die Grenze zwischen dem neueren Bruuder - mit
dem langen fränkischen Monophthong uu - und dem alemannischen
Brueder - mit dem alten mhd. Diphthong uo - bei Baden-
Baden die Rheinebene. Der einstige Doppellaut wird hier zu
einem einfachen Langvokal. Weiter nach Süden vorgedrungen ist
die fränkische Form des Partizips von sein. Hierfür existieren bereits
in mittelhochdeutscher Zeit zwei unterschiedliche Formen.
Man findet wesen (aus dem sich das standarddeutsche Partizip
gewesen entwickelt) ebenso wie „sin". Aus diesen beiden Formen
bildet sich im Schwäbischen und im Fränkischen gwan und gwää
(aus mhd. wesen [Inf.], wie nhd. gewesen) sowie im Oberrheinale-
mannischen gsii (aus mhd. sin [Inf.]). Nach Aufnahmen des SSA
ist gsii bereits bis Achern zurückgedrängt. Der Norden und der
Süden unterscheiden sich ebenfalls in der Aussprache von schon:
im Süden heißt es scho, im Norden gilt bis auf die Höhe von Lahr
die Lautung schun. Der Einfluss der fränkischen Lautungen von
Seife {Seif gegen altes Seife) und Kind {Kind gegen altes Chind)
sowie der Imperativform von sei {sei gegen altes bis, bisch) -z.B.
in sei still, bisch still - ist am weitesten fortgeschritten. Bei den
letzten drei Grenzen fällt auf, um wie viel stärker sich der fränkische
Einfluss im linksrheinischen Elsass ausgewirkt hat. Hier verlaufen
die einzelnen Isoglossen weiter südlich. Daraus lässt sich
schließen, dass über die früher durch das Elsass verlaufenden
Handels- und Hauptverkehrsrouten das Fränkische einen erheblichen
Einfluss auf das Oberrheinalemannische hatte. Die ehemalige
Lage der Verkehrswege führte demnach zu einer verschobenen
Symmetrie der Sprachgrenzen am Oberrhein.
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