Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2010/0175
1 74 Eugen Hillenbrand

In einem solchen Milieu blieb wenig Platz für eine radikale
Lebensform, wie sie Gertrud verwirklichen wollte. Das lässt den
Schluss zu, dass ihre kultische Verehrung von den Offenburger
Franziskanern offensichtlich nicht besonders gefördert wurde,
obwohl das Heiligengrab in ihrer Klosterkirche seinen Ort gefunden
hatte. Ein Kult muss gepflegt werden. So konnte der Jesuitenpater
, der im 17. Jahrhundert Gertruds Grab besuchen wollte, nur
zur Kenntnis nehmen: Die fromme Frau, die so viele Jahre in
Offenburg gewirkt hatte, war vergessen worden. Das „heilige
Leben" Gertruds wurde nicht zu einem Leitbild der bürgerlichen
Gesellschaft. Es blieb in deren Alltag eine ständige Provokation.
Selbst die Mitschwestern ihrer Gemeinschaft, in deren Tischlesung
das Andenken lebendig gehalten werden sollte, waren überfordert
. Mehrfach äußert die Vorleserin dafür Verständnis, indem
sie ihr eigenes Erschrecken eingesteht: wenn ich schribe und betrachte
und erkenne, wie gar gentzlich und alzemole ir natur erdötet
wart, so erschrik ich von hertzen, und wenn ich schriben sol die werk,
die got mit ir gewirket hat, so erschrike ich.66

Anmerkungen

1 H. Derkits: Die Lebensbeschreibung der Gertrud von Ortenberg. Diss. phil. Wien 1990. Im Folgenden
zitiert: GvO

2 Dubois, J.: Sources et methodes de l'hagiographie medievale, 1993 ; - Lotter; Friedrich. Methodisches
zur Gewinnung historischer Erkenntnisse aus hagiographischen Quellen; in: Histor.Ztschr. 229, 1979,
298-356; - Opitz, Claudia: Weibliche Biographien des 13. Jahrhunderts zwischen hagiographischer
Topik und historiographischer Fragestellung. In: Die ungeschriebene Geschichte. Historische Frauenforschung
(Frauenforschung, Bd.3), 1984, 327-336.

3 Brüssel, Bibliotheque Royale de Belgique Hs.8507-09; Eine eingehende Beschreibung der Handschrift
bietet O. Wieland: Gertrud von Helfta ein botte der götlichen miltekeit. (Studien u. Mitteilungen z.
Gesch. d. Benediktinerordens, 22. Ergänzungsbd.), 1973.

4 Wieland zählt 19 Textzeugen der Schrift auf, unter denen die Brüsseler Handschrift die vollständigste
ist; - Schindele, Maria Pia: Der heiligen Gertrud von Helfta „both der göttlichen myltigkeit" in einer
Lichtenthaler Handschrift von 1566, in: Freiburger Diözesanarchiv 120, 2000, 53-107, fügt dem erwähnten
Textbestand eine neue Fassung in alemannischer Sprache hinzu; - Grubmüller, KL: Gertrud
von Helfta, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters, Verfasserlexikon (im Folgenden zitiert: Verfasserlexikon
) 3, 1981, 7-10.

5 Derkits, Hans: Die Vita der Gertrud von Ortenberg - Historische Aspekte eines Gnaden-Lebens. In: Die
Ortenau, 71, 1991, 77-125. Im Folgenden zitiert: Derkits, Ortenau

6 Williams-Krapp, Werner: Raimund von Capua, in: Verfasserlexikon 7, 1989, 982-986; Helbling, Hanno:
Katharina von Siena. Mystik und Politik, 2000.

7 Acta Sanctorum Febr. III, Antwerpen 1658, 360.

8 Anno MCCCCXXXV (!), Kalendas Martii hoc claudebatur antro Domina Gertrudis legitima consors quondam
Domini Rickgeldeigin virtutum cultrix, Offenburg missis precibus pluribus protegens a periculis. Fac amplius,
precamur.

9 Sawilla, J.M.: Antiquarianismus, Hagiographie und Historie im 17. Jahrhundert. Zum Werk der Bollan-
disten. Ein wissenschaftshistorischer Versuch, 2009. Sawilla nennt Gamans „die zentrale Vermittlungs-
figur für die Materialbeschaffung in den süddeutschen Territorien" (S. 36); Benz, Stefan: Zwischen
Tradition und Kritik. Katholische Geschichtsschreibung im barocken Heiligen Römischen Reich (His-
tor. Studien Bd.473), 2003.

10 Kähni, Otto: Offenburg und die Ortenau, 1976, 133.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2010/0175