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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
91. Jahresband.2011
Seite: 279
(PDF, 95 MB)
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280 Eugen Hillenbrand

Doch blieb neben dem offiziellen Heiligenverzeichnis eine
überreiche Tradition literarischer hagiographischer Texte auch
weiterhin lebendig, die an große und kleine, erfundene oder erwünschte
Lokalheilige erinnerten.

Solche Texte lagen in vielen Versionen unter verschiedenen Gattungsbezeichnungen
vor:

Passiones martyrum, Leidensgeschichten der Märtyrer;

Vita Sancti/ae, die Geschichte eines heiligmäßig geführten irdischen
Lebens;

Inventio, Elevatio und Translatio, die Geschichte der Auffindung,
Erhebung und Überführung der Reliquien eines Heiligen;

Miracula Sancti/ae, die Erzählung von Wundern, die auf das Einschreiten
eines/r Heiligen zurückgeführt wurden.

Die Fülle solcher hagiographischen Quellen wurde, zumindest
was ihre Zugkraft ausmachte, überstrahlt von der Sammlung
eines gelehrten Bettelordensbruders, der in den sechziger Jahren
des 13. Jahrhunderts die Legenda Aurea verfasst hatte.2 Sein Werk
erreichte eine beispiellose Verbreitung in ganz Europa. Noch
heute bezeugen weit über tausend Handschriften die Beliebtheit
der Goldenen Legende. Selbst noch am Ende des Mittelalters überstieg
die Zahl ihrer Frühdrucke diejenigen der Bibel. Da wurden
vielerlei Klischees, stereotype Szenen und Wunder verwertet und
heiliges Leben sozusagen von der Stange angeboten. Die dünne
historische Substanz und die literarische Anspruchslosigkeit
konnte trotzdem ihren gewaltigen Einfluss auf Literatur und
Kunst nicht mindern. Bis in die Zeit unserer Eltern gehörte die
Legenda Aurea eigentlich in jede katholische Familie.

Schon im 14. Jahrhundert hatte die Ordensleitung erhebliche
Bedenken gegen die unkritische Darstellung der Heiligenbiographien
geäußert. Und 150 Jahre später verbot kein Geringerer als
Nikolaus von Kues seinem Klerus in Brixen, diese „abergläubischen
Dinge" in den Predigten zu verwenden. Luthers Urteil lautete
1540 knapp: „Es ist wenig Gutt's drin/ Schon vorher griff er
vorreformatorische und humanistische Ansätze auf und veröffentlichte
eine kleine lateinische Schrift mit dem Titel: „Die Lügend
von St Johanne Chrysostomo? Er versah sie mit ironischen,
teilweise auch recht groben Randbemerkungen, die durchweg auf
den Ton abgestimmt waren: Die ganze Legende ist eine Sammlung
von Lügen, eine Lügende.


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