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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
91. Jahresband.2011
Seite: 284
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Gertrud von Ortenberg - eine vergessene Heilige OQ C

an Ort und Stelle nachzuprüfen (accurate perquirere et cor am inspi-
cere): zu prüfen, ob denn die Erzählungen der Vita mit den lokalen
Gegebenheiten tatsächlich übereinstimmten. Gamans konnte
damals noch die mittelalterliche Klosterkirche der Franziskaner
in Augenschein nehmen, bevor diese 1689 niederbrannte. Und er
konnte auch den Klosterfriedhof mit Gertruds Grab besuchen,
das sich wohl neben dem Chor östlich der Lange Straße befand.

Zudem sprach er beim damaligen Pfarrer Adam Hafner vor,
um auch von ihm Informationen zu erhalten. Diese blieben allerdings
zwiespältig: Gertrud sei gewiss eine Selige und Heilige
(beata et sancta) und habe auch so gelebt. Ihr Kult habe sich dennoch
nicht durchgesetzt, wegen der „Gleichgültigkeit späterer
Generationen" (incuria posteriorum). Das sei der Grund, warum sie
noch nicht in den offiziellen Heiligenkanon aufgenommen sei.

Der Offenburger Pfarrer machte den Jesuiten auch auf ein kirchenrechtliches
Problem aufmerksam: Er unterschied zwischen
„selig" und „heilig". Kirchenrechtlich bedeutete Seligsprechung
damals nur eine begrenzte Verehrung durch eine bestimmte Ortskirche
oder ein bestimmtes Land, im Gegensatz zur Verehrung in
der gesamten Weltkirche nach einer offiziellen Kanonisation
durch den Papst.11

Lange Zeit war die Heiligsprechung kein offizieller Akt der Kirche
, sondern der Kirchengemeinden. Die Christen entschieden
selbst durch den Grad ihrer Verehrung über den „Ruf der Heiligkeit
". Um Missbräuchen entgegenzuwirken, begannen zuerst die
Bischöfe, den Kult zu regulieren, auch wenn ihre Dekrete nur
schmückendes Beiwerk blieben.

1179 entschied Papst Alexander III., dass fortan die Heiligsprechung
allein dem Apostolischen Stuhl vorbehalten bleibt. Der
Anlass war höchst banal. In Schweden verehrte man nämlich
einen Heiligen, der bei einem Saufgelage im Rausch umgebracht
worden war. Ihn als heiligen Märtyrer anzuerkennen, ging dem
Pontifex Maximus denn doch zu weit. Sein Einspruch wurde als
Dekretale in das Corpus Juris Canonici aufgenommen und gilt
auch heute noch. Alexander III. benutzte als erster Papst in seinen
Kanonisationsbullen das Verbum canonizare.

Das heilige leben der seligen frowen Gertrud

Das zentrale Zeugnis zu Gertrud von Ortenberg unterläuft in geradezu
provozierender Weise das kirchenrechtlich gültige Modell,
indem es den Leser einstimmt auf „das heilige leben der s e-
l i g e n frowen genant die Rickeidegen''Sie wird demnach vorgestellt
als eine von den Offenburgern hochverehrte Frau, die es
verdient hätte, von der gesamten Kirche verehrt zu werden.


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