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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
91. Jahresband.2011
Seite: 291
(PDF, 95 MB)
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292 Eugen Hillenbrand

wissen wir nicht. Allerdings ist festzustellen, dass nur eine einzige
Handschrift die Erinnerung an Gertrud festgehalten hat. Obwohl
der Text ausdrücklich für die Schwesterngemeinschaft in Offenburg
niedergeschrieben wurde, blieb er dort ohne Resonanz. Als
Gertrud und Heilke nach über 15 Jahren des Straßburger Exils
wieder in die Ortenau zurückgekehrt waren, hatten sie nur mit
einiger Mühe Unterkunft bei zwei ehrbaren Regelschwestern gefunden
. Aber ob das Haus erneut zu einem geistigen und sozialen
Zentrum geworden war, darüber schweigt auch die Biographin.
Fühlten sich ihre Mitschwestern überfordert durch diese radikale
Lebensform und bevorzugten ein ganz normales Beginenleben in
der Stadt?

Die Offenburger Franziskaner hatten zwar der Terziarin ihres
Ordens eine Grabstätte auf dem Klosterfriedhof gewährt, aber sie
nahmen in der Frage nach dem rechten Verständnis des von
ihrem Ordensgründer hinterlassenen Armutsideals immer eine
gemäßigte Stellung ein. Ihr Konvent gehörte im 15. Jahrhundert
zu den führenden Häusern, die sich von den strengen „Observan-
ten" zugunsten einer bürgernahen Seelsorge absetzten. Sie sahen
folglich keinen Anlass, den durch die Vita angestoßenen Kult der
heiligen Frau zu fördern.

Auch die Bürger engagierten sich nicht, obwohl sie Gertrud
auf dem Franziskanerfriedhof einen Gedenkstein gesetzt und darauf
die Bitte an ihre Schutzpatronin eingemeißelt hatten:
„Schütze uns auch weiterhin, wir bitten dich!" Sie fühlten sich
wohl auch überfordert von einer Mitbürgerin, die ihrer Freundin
Heilke ein Stück Leinen gebracht hatte, damit sie ihr daraus einen
Bettelsack nähe.

Ein Heiligenleben - verdrängt und vergessen

Beginen, Franziskaner und Bürger in Offenburg blieben nach Gertruds
Tode auffallend stumm. Das lässt sich nicht einfach mit der
„Nachlässigkeit späterer Generationen" verharmlosen. Eine plausible
Erklärung deutet der Straßburger Stadtschreiber Sebastian
Brant (f 1521) in seinem berühmten Narrenschiff an33. Er hatte die
Schrift noch als Juraprofessor in Basel 1494 veröffentlicht. Im
83. Kapitel „Über die Verachtung der Armut" kritisierte er: Noch
armuot frogt yetz nyeman mer. Jetzt galt Armut als Schande, Bedürftigkeit
wurde zum Schimpfwort. „Jetzt", so urteilte ein Flugblatt
aus dem Jahre 1525 schonungslos, „nennen wir nichts anderes
Armut als von den andern zu nehmen."34

Die dem Mittelalter selbstverständliche Form der Almosenstiftung
zugunsten der Bedürftigen wurde besonders in der Städten
des Spätmittelalters durch die sprunghafte Zunahme sozial


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