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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
91. Jahresband.2011
Seite: 425
(PDF, 95 MB)
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426 Günther Mohr

Ihr Mann, der Bühler Schutzjude Koppel Kaufmann (auch
Koppel Schweitzer genannt), hatte eine Zeitlang in Bühl die jüdische
Herberge geführt,4 auch mit Wein gehandelt und wohl auch
Geld verliehen.5 Sie selbst stammte aus einer Familie, die aus
Polen gekommen war. Da das Paar keine Kinder hatte, setzte Miriam
Koppel (oder Maria Anna Koppel in den amtlichen Quellen)
in ihrem Testament Erben ein - eine Möglichkeit, einige ihrer
Vorstellungen und Verhaltensweisen zu rekonstruieren und zu
erkunden, worauf das Lob ihrer Wohltätigkeit Bezug nahm.

Ausdrücklich gab sie an, dass ein „Buch Moises" und das dazugehörende
„Silbergeschirr", die Torarolle und der Toraschild
aus dem Besitz ihres Mannes und ihrem eigenen stammten. Diese
wertvollen Kultgegenstände bestimmte sie für die Synagoge in
Bühl, Synagogenräume in einem Haus, das zwei Generationen
zuvor Isaac Moyses Bodenheimer und einem weiteren jüdischen
Einwohner in Bühl gehört hatte.6 In dieser Synagoge sollte am
„Jahrtag", bei der Wiederkehr ihres Todestages, eine Kerze brennen
und durch einen jüdischen „Gelehrten" ein Gebet gehalten
werden. Dem Vorsänger Moises, der in der Zeit der Revolutionskriege
aus dem Elsass nach Bühl gekommen war, vermachte sie
200 Gulden, damit er für sie bete.

Frömmigkeit und die Erfüllung der religiös geforderten Wohltätigkeit
zeigen sich in diesen und in anderen Bestimmungen
überaus deutlich. Bei der Verpflichtung zur Wohltätigkeit erweist
sich Miriam Koppel jedoch als Frau, die neben dem tradierten
Verhalten gegenüber Armen ihren eigenen Weg einschlug. Noch
1770 hatte Salomon Meyer, der Hoflieferant in Rastatt und Karlsruhe
und „Fürsprecher" der Judenschaft bei den dortigen Regierungen
, sich dahin geäußert, dass es Hilfe in Not nur von Juden
für Juden und von Christen für Christen gebe; Wohltätigkeit endete
also jeweils an der Grenze der eigenen Gesellschaft.

Miriam Koppel setzte für die jüdischen Armen mehrere Legate
fest, darunter die Zinsen von 1000 Gulden für ihre ärmsten
Verwandten, aber es gab noch eine weitere Bestimmung: An die
„christlichen Haus- und andere Armen" sollten 30 Gulden verteilt
werden. Miriam Koppel hob damit die Grenze auf, deren
Gültigkeit Salomon Meyers eine Generation zuvor noch festgestellt
hatte: Wohltätigkeit sollte nun nicht mehr an der Trennlinie
zwischen der Minderheit und ihrer nichtjüdischen Umwelt
Halt machen. So erweist es sich, dass das Lob auf Miriam Koppel
seinen realen Bezug hat, dass sie die traditionelle Verpflichtung
der „Zedaka", der Wohltätigkeit, erfüllte, zugleich aber über die
tradierte Vorstellung von einer Trennlinie zwischen Juden und
Christen bei der Erfüllung dieser religiösen Verpflichtung hinausging
.


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