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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
92. Jahresband.2012
Seite: 174
(PDF, 83 MB)
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1 74 Ralf Bernd Herden

nichts beschönigen, verniedlichen oder gar entschuldigen -
er will einzig und allein zur Nachdenklichkeit mahnen: „Qui
sine peccato est vestrum, primus in illam lapidem mittat/'5
(Jon. 8,7).

Im Volksmund spricht man übrigens vom Karsamstagsmord
1945. Mord, §211 StGB, ist im deutschen Strafrecht das
schwerwiegendste Tötungsdelikt, die „Qualifikation" zum
„Grundtatbestand" des Totschlages, §212 StGB, während beispielsweise
der Tatbestand der „Tötung auf Verlangen", §216
StGB, eine sogenannte „Privilegierung" darstellt.6

Juristisch gesehen wurde das Verbrechen an Anton Reinhardt
im Endergebnis als Totschlag gewertet. Mit dem Verbrechen
haben sich sowohl das Schwurgericht beim Landgericht
Offenburg als auch der Bundesgerichtshof und das Schwurgericht
beim Landgericht Karlsruhe auseinandergesetzt. Die Ur-
teilsfindung hat man sich dabei zweifelsohne nicht leicht gemacht
. Trotzdem wurde die Tat, entgegen dem Antrag der
Staatsanwaltschaft, nicht als Mord gewertet. Eine Bewertung,
welche sicherlich auch unter Juristen als strittig angesehen
werden darf. Denn Mörder ist u.a., wer einen anderen in besonders
verwerflicher Begehungsweise „grausam" tötet. Grausam
wird das Opfer seines Lebens beraubt, wenn es körperliche
oder seelische Qualen erleiden muss, die nach Schwere oder
Dauer über das „normale Maß der Tötung" hinausgehen. Dabei
muss der Täter aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung
heraus zusätzlich die Todesqualen erhöhen wollen. Es gibt also
ein objektives Element (Qual) und ein subjektives Element
(unbarmherzig quälen wollen). Am Nachweis dieses „Wollens"
ist letztendlich in diesem Fall eine Verurteilung wegen Mordes
gescheitert. Das Gericht kam nicht zur Überzeugung, dass dieses
„Wollen" nachzuweisen war. „In dubio pro reo" (die Täter
selbst hatten gegenüber Anton Reinhardt gerade den gegenteiligen
Grundsatz angewandt), also „im Zweifel für den Angeklagten
", musste deshalb (wegen Mordes, nicht aber des Totschlages
wegen!) freigesprochen werden. Eine echte, wertbewusste
Rechtsordnung gewährt dies jedem Angeklagten, weil sie sich
gerade nicht ad absurdum führen lassen will.7 Und folgt man
der Argumentationskette des Gerichts, so konnte auch der
niedrige Beweggrund des Rassismus (Anto Reinhardt war Sinto
- landläufig Zigeuner genannt) nicht erwiesen werden, weil
angeblich niemand der Beteiligten von der Abstammung des
Opfers wusste.


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