Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
92. Jahresband.2012
Seite: 202
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202 Klaus G*Kaufmann

stahl, Raub, Mord und Totschlag mit Gefängnisstrafen geahndet
. Auch wer Damenunterwäsche „in der Absicht wegnahm,
sie sich rechtswidrig zuzueignen" (wie es früher im Gesetz
hieß), also von fremder Wäscheleine entfernte, kam ins Gefängnis
. Bis es aber zu einem Urteil kam, saß man zunächst in Untersuchungshaft
(U-Haft). Solch ein Untersuchungsgefängnis
war Bühl dazumal. Aus heutiger Sicht ist manches schon gar
nicht mehr vorstellbar und glaubhaft. Heute heißt diese Einrichtung
„Justizvollzugsanstalt".

Unterbringung und Versorgung von damals muten heute
museal an. Daher will ich Alltag und Anekdoten aus der Erinnerung
berichten, gestützt durch die Erinnerung meiner beiden
Schwestern und meiner fast 96-jährigen Mutter, Hilde Kaufmann
.

Das Bühler Amtsgerichtsgefängnis bot für etwa 40 Häftlinge
beiderlei Geschlechts Platz, in der großen Mehrheit allerdings
für Männer. Anfangs gab es nicht einmal Toiletten in den Zellen
. Es standen Eimer mit Deckel in einer Zellenecke. Es gab
Einzel- und Gemeinschaftszellen. Diese boten Platz für einen
und bis zu sechs Gefangenen. Durch Arbeiten im Knast verdiente
man ein „Taschengeld". Natürlich gab es ein Entlohnungsprinzip
, aber reich ist davon keiner geworden. Zu diesen
Arbeiten zählte Holz sägen und spalten. Die Bühler Fuhrleute
Zeiß und Volz lieferten das Bühler Bürgerholz in den Gefängnishof
, wo es dann mit Bogensäge (Sachsensäge) für zwei Personen
oder mit einer Gestellsäge, für eine Person, auf Scheitholzlänge
zugeschnitten und hernach gespalten wurde. Dass
die Häftlinge auch mit Dreikantfeilen die Sägen schärften und
mit einem besonderen Werkzeug schränkten, mutete mich
immer wieder unheimlich an, sie könnten damit ja auch die
Gitterstäbe ihrer Fenster durchfeilen! Meines Wissens hat dies
allerdings nie jemand getan, dafür anderes, wie wir später noch
hören werden. - Mit zwei oder drei Gefangenen und einem
Justizvollzugsbeamten (Wärter gibt's im Zoo! Originalton:
Vater, Gerhard Kaufmann) wurde das gesägte und gespaltene
Holz auf einen großen vierrädrigen, ballonbereiften Leiterwagen
geladen und zu den Besitzern in der Stadt Bühl gekarrt,
dort in Weidenkörben außen an der Hauswand mittels eines
Seilzugs in den Speicher hochgezogen oder über Treppen auf
die Bühne verbracht und sogar noch aufgesetzt. Welch ein
Luxus! Weitere Verdienstmöglichkeiten ergaben sich beim
Tüten kleben, beim Fellreste scheren für Filz, Papierseiten für
Bücher, Kalender usw. sortieren und für den Buchbinder vorbereiten
. Von diesem „erwirtschafteten" Geld konnten Kosmetik,
Kaffee und vor allem Tabakwaren eingekauft werden.


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