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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
92. Jahresband.2012
Seite: 204
(PDF, 83 MB)
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204 Klaus Kaufmann

amten in einem großen Kochtopf Wurst- oder Fleischbrühe als
Suppen- oder Soßengrundlage. Dieses Gefängnisessen wurde
von einem Beamten des Amtsgerichts regelmäßig kontrolliert
und führte beim Eintrag eines Gerichtsassessors in das Kontrollbuch
, der diese Kontrolle durchgeführt hatte, zu dem Kommentar
: „Essen deutlich besser als in der Mensa der Uni zu Heidelberg
! "

Aus heutiger Sicht unverständlich, gab es zu Beginn unseres
„Gefängnisaufenthaltes" keinen separaten Wohnungseingang.
So mussten wir zum Betreten und Verlassen unserer Wohnung
das große Gefängnistor mit Weg über den Gefängnishof benutzen
. Auch ein extra vereinbartes Klingelzeichen am Gefängnistor
signalisierte: Es will jemand zu's Kaufmann's und sei es die
eigene Familie. Wie man auf den beigefügten Fotos erkennen
kann, hat Familie Kaufmann im Gefängnishof einen kleinen
Garten gepflegt, der dann auch als Kulisse für Familienfotos bei
besonderen Familienfesten diente.

Das Bühler Gefängnis war, wie viele andere Gefängnisse in
der Region auch, um 1918 herum gebaut worden, der Vorgängerbau
stand in der Rheinstraße. Manch alte Burgmauer war
standfester als unsere Gefängnismauer. Sie musste etliche Male
ausgebessert werden, bis sie endgültig einer höheren und stabileren
Betonmauer weichen musste. Beschützt wurde das Gefängnis
nachts durch einen ausgedienten Polizeihund „Cora",
dem aber die Ratten, die unter seiner Hundehütte hausten,
oftmals das Futter wegfraßen. Täglich gab es den sogenannten
„Hofgang". Im Gänsemarsch liefen die Inhaftierten um ein
Rasen- und Blumenbeet herum. Sprechen war untersagt. Damit
sie nicht den Drehwurm bekamen, hieß es immer mal wieder:
Kehrt! Und man lief in die entgegengesetzte Richtung. Für die
Frauen wurde extra „Hofgang" abgehalten. Gelegentlich mussten
auch meine Schwestern zum Federball spielen mit den
Frauen herhalten, damit diese genügend Bewegung hatten.

Zu hohen kirchlichen Feiertagen, namentlich zu Ostern und
Weihnachten, wurde für die Gefangenen ein Gottesdienst gefeiert
, bei dem sich alle Gefangenen auf dem oberen Flur mit
ihrem Zellenstuhl versammelten. In einem Weidenkorb wurden
die kirchlichen Gerätschaften (Messkelch, Altarstein, Messgewänder
usw.) herbeigebracht. Da ich Ministrant war, musste
ich in aller Regel auch ministrieren. Am Heiligabend gab es
einen besonderen Höhepunkt. Auf selbigem Flur wurde ein
Christbaum aufgestellt und meine Familie feierte mit den Gefangenen
„Heiligabend". Es gab pro Mann eine Flasche Bier und
selbstgebackene „Weihnachtsbrötle" von meiner Mutter. Meine
Schwestern spielten Flöte, ich verlas das Weihnachtsevange-


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