Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
92. Jahresband.2012
Seite: 473
(PDF, 83 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2012/0474
Neue Literatur

am Nutzen des Gemeindewaldes, ein Recht,
das bis dahin nur den Bürgern, damit christlichen
Einwohnern zustand."

Die Juden durften ihren Lebensort nicht
selbst auswählen. Eine Chance auf Aufnahme
in den Schutzstatus bot sich dort, wo bereits
Juden zu Hause waren: „Sie waren geduldet,
weil die Regierung hohe Abgaben erhielt",
konstatiert Mohr. Allerdings finden sich im
Untersuchungsraum doch unterschiedliche
Tendenzen. Unter Markgraf Ludwig Wilhelm
(bis 1707) hatten die Juden Chancen. Das lag
einerseits am notwendigen Wiederaufbau des
Landes, andererseits am persönlichen Verhältnis
des Regenten zu seinem Geldgeber Samuel
Oppenheimer, dem er sogar die Freundschaft
anbot. Sibylla Augusta, die Witwe und Nachfolgerin
Ludwig Wilhelms, änderte diese Linie
radikal. Interessanterweise verstärkte sich ihre
judenfeindliche Politik gerade in der Zeit, als
die Erben Oppenheimers auf Kreditrückzahlungen
drängten: „Wenn dieser Zusammenhang
zutrifft, dann brachten nicht die Juden
mit ihrem Verhalten im Kreditwesen eine
Schärfe in das Verhältnis zu den Christen,
sondern die Spitze des Staats verschärfte die
Spannungen vor dem Hintergrund ihrer desolaten
Finanzen", schreibt Mohr. Unter Sibylla
Augustas Nachfolgern Ludwig Georg und August
Georg gab es widersprüchliche Entwicklungen
: einerseits Rücksichtnahme auf persönliche
Verhältnisse oder andere Regierungen
, andererseits drohte zeitweilig aber auch
das Ende der Schutzaufnahmen. Gerade bei
den Schutzbewerbungen sieht Mohr Vielfalt
und Widersprüchlichkeit auf der Regierungsseite
deutlich zutage treten: „Manche als leistungsstark
eingeschätzte Bewerber um den
Schutz waren ausgesprochen willkommen,
aber auch arme erhielten ihn. Das Ende der
Schutzaufnahmen, eine Markgrafschaft ohne
Juden tauchte als Möglichkeit auf."

Die meisten Juden lebten vom Handel mit
altem Eisen, gebrauchten Kleidern und Vieh.
Landwirtschaft und Handwerk durften sie
nicht ausüben, und doch gab es viele Kontakte
- teilweise lebten Christen und Juden in
einem Haus, getrennt durch eine vorgeschriebene
„Scheidwand". Gerade bei der Häuserfrage
macht Mohr viele grundlegende Aussagen
an exemplarischen Beispielen fest. Ein
Paradebeispiel dafür ist der Bühler Judenschultheiß
Joseph Jacob. Dessen Haus stand
am Ende des 17. Jahrhundert im Zentrum,
beim Markt und bei der Kirche; im oberen
Stock wohnte er mit seiner Frau Regina. Das
störte Barholomeus Bollmeyer gewaltig: Der
Leiter des Rektorats der Jesuiten in Ottersweier
, zuständig für die Seelsorge in Bühl, ging
mit scharfen Worten gegen Jacob vor: „... dass
der Juden muttwillige Bosheit ihren alzuna-
hen Sitz ahn der Kirchen undt Gotteshause
befestige, allwo sie ihre Gotteslästrige Zungen
täglich mit ... (unleserlich) scherpften, undt
so viel tausendt Hohn". Der ließ sich nicht
einschüchtern: Auch wenn er am Ende sein
Haus verkaufte, wollte er sich doch aus dem
Zentrum nicht vertreiben lassen; er ersteigerte
1705 ein Wirtshaus an der Hauptstraße, wo er
allerdings auch nicht willkommen war, und
kaufte 1706 ein Haus in der Adlergasse - nahe
der Hauptstraße. „In der Frage des Hausbesitzes
in den Zentren der Schutzorte äußerte sich
Selbstbewusstsein, das mit Prestige und Ehre
zusammenhing", fasst Mohr seine Ergebnisse
zusammen.

Günther Mohr entfaltet in seinem kennt-
nis- und faktenreichen Buch ein facettenreiches
Bild der Lebensbedingungen der Juden in
der Markgrafschaft, das gerade in seinem Blick
auf individuelle Schicksale plastisch vor Augen
tritt und dabei die Grundthesen herausarbeitet
. Es ist auch ein Beitrag, der eine Leerstelle
in der regionalen Forschung füllt, der zeigt,
wie virulent religiös fundierte Vorurteile
waren. Wilfried Lienhard

jutta Krimm-Beumann (Bearb.): Die Bestände
des Generallandesarchivs Karlsruhe Teil 5.
Nichtstaatliches Archivgut (69-70), Verlag W.
Hohlhammer Stuttgart 2011, 389 Seiten.

In seiner neuesten Beständeübersicht informiert
das Generallandesarchiv Karlsruhe
(GLAK) über das nichtstaatliche Archivgut,
das in seinen Magazinen verwahrt wird. Es
handelt sich somit um Dokumente, die nicht
bei staatlichen Behörden entstanden sind,


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