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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
93. Jahresband.2013
Seite: 38
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Manfred Merker

Immerhin haben sie das Vergilbild der Nachwelt nachhaltig
beeinflusst und die Vorstellung ganzer Generationen von Lehrenden
und Studierenden geprägt und sicher auch zum besseren
Textverständnis des Dichters im lateinsprachigen europäischen
Raum beigetragen.

In der wissenschaftlichen Literatur hat man bemängelt, dass
die hier sichtbare spätmittelalterliche Verfremdung der antiken
Geschichte aus der Holzschneidewerkstatt der elsässischen Metropole
naiv und unhistorisch sei. Personen, Städte und Landschaften
seien an zeitgenössischen Vorstellungen orientiert und
somit verfälschend wiedergegeben: Troja und Karthago erscheinen
als mittelalterliche Fachwerkstädte, die Schiffe ähneln den
spanischen Karavellen der zehn Jahre zurückliegenden Entdeckungsfahrt
des Kolumbus zu dem noch nicht benannten
neuen Kontinent, die Kämpfer sind wackere Landsknechte aus
dem Söldnerheeren Georg von Frundsbergs. Auch Augustus erscheint
nicht in Toga oder Brustpanzer, sondern als der regierende
Kaiser Maximilian, den man in diesen Jahren ja in Straßburg
zu Gesicht bekommen hatte. Alle dargestellten Frauen
seien Straßburger Bürgertöchter, die Männer elsässische Bürger
und Bauern. Vergil ähnelte eher einem Riemenschneiderschen
Apostel oder Engel, Musen hätten doch keine übergroßen Erzengelflügel
. Hierzu muss man nun allerdings festhalten, dass
jede Zeit, auch die unsere, nur aus ihren eigenen Bedingtheiten
und Voraussetzungen Vorstellungen entwickeln und gestalten
kann. Es gab ja keine ununterbrochene historische Kontinuität
der lebendigen Anschauung von der Antike bis zum Jahre 1500
wie in den romanischen Mittelmeerländern. Sie wurde gerade
jetzt erst - geistig-literarisch im Humanismus und künstlerisch
in der Renaissance - wiederentdeckt. Nirgends existierten allen
zugängliche Kunstsammlungen, und Antikenmuseen oder anschauliche
Bildbände in öffentlichen Büchereien, es gab keinen
Tourismus in die antikengesättigten Mittelmeerregionen, ein
google-Bild war niemandem verfügbar. Pompeji und Ephesos
waren noch nicht ausgegraben, das Forum Romanum war damals
eine Weidefläche, die Laokoongruppe oder der Augustus
von Primaporta waren noch nirgends aufgestellt worden. Außerdem
waren die Archäologie und Geschichte als Wissenschaft
noch nicht etabliert. Auch wurden die jetzt massenhaft nach
der Erfindung des Buchdrucks vor gerade mal eben 50 Jahren
gedruckten antiken Klassiker noch nicht einer modernen textkritischen
Analyse unterzogen. So stellten die Straßburger Holzschneider
nach Weisung der anweisenden Künstler und altphilologischen
Berater Augustus als den zeitgenössischen Maximilian
dar, Vergil als jungen humanistischen Gelehrten, die


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