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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
94. Jahresband.2014
Seite: 191
(PDF, 98 MB)
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_ 191

Schriftsteller im Elsass und in Lothringen 1914-18

Stefan Woltersdorff

Wetterleuchten über den Vogesen

„Aufgestanden ist er, welcher lange schlief / Aufgestanden
unten aus Gewölben tief". Mit diesen Worten beginnt das Gedicht
„Der Krieg" von Georg Heym (1887-1912). Es entstand
nicht etwa 1914, sondern 1910, und macht deutlich, dass der
Erste Weltkrieg lange schon in den Köpfen begonnen hatte,
noch bevor der erste Schuss fiel, und dass Schriftsteller einen
großen Anteil daran hatten.

Der aus dem östlichen Grenzland Schlesien stammende
Heym war weder kriegslüstern noch Pazifist, er fing schlicht
die Stimmung seiner Zeit ein. Als er obiges Gedicht verfasste,
studierte er auf Wunsch seines Vaters gerade Jura, ein „Sauzeug
", das er „zum Kotzen" und „zum Scheißen" fand (Tagebuch
vom 29.11.1910). Nachdem 1911 seine Dissertation abgelehnt
worden und sein juristischer Vorbereitungsdienst auch
im zweiten Anlauf gescheitert war, begann er sich nach alternativen
Brotberufen umzusehen und fuhr zu diesem Zweck Anfang
Januar 1912 in das östliche Grenzland Elsass-Lothringen,
genauer gesagt: nach Metz, wo er sich bei einem lothringischen
Infanterieregiment als Fahnenjunker bewarb. Während der
Zugreise verfasste er ein Gedicht voll dunkler Vorahnungen:

Die Höfe luden uns ein, mit den Armen schmächtig,
Faßten unserer Seelchen zipfeliges Kleid.
Wir entglitten durch Tore nächtig
In toter Gärten verwunschene Zeit.

Von Regenrohren fiel Wasser bleiern,
Ewig, Wolken flogen so trübe.
Und über der Starre der frostigen Weiher
Rosen hingen in Dürre vom Triebe.

Und wir gingen auf herbstlichen Pfaden, geringem,
Gläserne Kugeln zerrissen unser Gesicht,
Jemand hielt sie uns vor auf den spitzigen Fingern.
Unsere Qualen machten uns Feuerlicht.

Und wir schwanden so schwach in die gläsernen Räume.
Riefen voll Wehmut, da dünne das Glas zerbrach.
Wir sitzen nun ewig, in weißlichen Wolken zu träumen
Spärlichem Fluge der Falter im Abendrot nach.

(Heym, S. 1017)


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