Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
94. Jahresband.2014
Seite: 364
(PDF, 98 MB)
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364 Gernot Joerger

fen eine Telefonleitung zu legen. Dafür bekommt jeder ein
Stück Brot und Speck. Hei, wie das schmeckte. Besser wie in
guten Tagen ein Stück Kuchen. Nach einigem Her umfragen
finden wir unsere Kompanie. Vorher hatten wir in einer Bäckerei
, allerdings nach langem, langem Warten, einen Laib Weißbrot
und feinen, süßen russischen Tee bekommen. Der Bäcker,
ein Jud, hat kein schlechtes Geschäft gemacht, wenn jeder so
anständig zahlte wie wir. Eine Tochter bediente. Sie konnte
sogar ganz ordentlich Deutsch. Die Kompanie selbst war in
einer der russischen Kasernen untergebracht. Neu für uns
waren die vergoldeten Kuppeln der russisch-orthodoxen Kirchen
. In den Straßen der Stadt: tiefer Dreck.

Trübe Februartage mit Dauerdurchfall, russischen
Gefangenentrupps, Gottesdienst. Keine Post aus der Heimat.

17. Februar 1915. Aschermittwoch. Weitermarsch in Richtung
Augustow21. Es ist wärmer geworden. Die Wege etwas aufgetaut.
Vor uns ist eine Brücke gesprengt. Wir werden in einem kleinen
Ort einquartiert. Diesmal haben wir warm in einer
Scheune geschlafen. Wieder jeden Tag Marsch, aber ohne Gefechtsberührung
mit den Russen. Hin und wieder Gefangenentrupps
. Auch eigene Soldaten, müde, ungewaschen, unrasiert,
abgerissen, mager, mit großen Augen, aus denen das Erleben
der letzten Tage zu lesen ist. Sehe ich auch so aus?

19. Februar. In Augustow. Hier sieht es recht nach Krieg aus,
Spuren des Kampfes, Kriegsbeute, Munitionswagen, Gewehre,
eine Masse gefangener Russen, gesprengte Brücken. Zwei andere
Korps sollen hier gekämpft haben. Der Marsch geht weiter
. ... Die Gegend wird sumpfig.

20. Februar. Gewehrappell, Stiefelappell. Nun sind auch
diese Dinge wieder in Ordnung. Nach vielem Hin und Her warmes
Lager in einem Hausgang. Tagsüber in warmer Küche.
Immer noch keine Post. Furchtbarer Durchfall, Schmerzen.
Was ich esse, geht gleich wieder unverdaut ab. Ich lasse mir
darum Opiumtropfen geben. Wir sind im Ort Osowigrund22.

21. Februar. Wir waschen uns. Ist das eine Wohltat! Man
spricht davon, dass wir morgen verladen werden sollen. Heute
ist Sonntag, erster Fastensonntag. Um ein halb 10 Uhr ist Feldgottesdienst
. Ein junger protestantischer Theologe hält ihn.
Was er sagt, packt mich. Trübseliges Wetter, es regnet. Der
Durchfall wühlte in meinen Gedärmen. Ich denke an daheim.

Am Nachmittag plötzlich Alarm. „Fertig machen, antreten
! ". Wir rücken wieder ab. Da vorne war es ordentlich mulmig
. Der Russe wehrte sich, als von unserer Seite versucht wird,


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