http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2014/0371
"3 70 Gernot Joerger
Nach dem 16. März 1915. Wir müssen schnellstens von der
Front weg. Wie, das müssen wir als Leichtverletzte selbst organisieren
. Mit zwei anderen Verletzten, die zwar wie ich verwundet
, aber noch einigermaßen gehfähig sind, verlassen wir
fluchtartig das Haus. Wir stützen uns gegenseitig beim Gehen.
Das Infanteriefeuer hat etwas nachgelassen. Hin und wieder
surrt so eine gefährliche „Biene" an uns vorbei.
Ein Futterwagen der schweren Artillerie nimmt mich und
einen anderen Kameraden auf. In Heu und Stroh bereiten uns
die Fahrer ein weiches, warmes Nest, eine Wagenplane schützt
uns vor der Kälte. Wir kommen mit dem Wagen bis Miteiniz27.
Da ist ein Feldlazarett. Das will uns schon gar nicht. Dafür
steht schon eine Fuhrparkkolonne bereit, die die nicht gerade
schwer Verwundeten nach Fürstenwalde über die Grenze nach
Ostpreußen bringen soll. Sie tut's. Aber diese Wagen bergen
weder Heu noch Stroh. Wir sitzen auf dem harten, kalten Bretterboden
. Die Fahrt auf der gefrorenen, holprigen Straße und
in dem nicht gefederten Wagen ist eine Qual. Meine Wunde
beginnt zu schmerzen. Es ist Abend, als wir in Fürstenwalde
ankommen. In der Schule ist das Feldlazarett untergebracht.
Autos mit Verwundeten treffen ein, andere fahren wieder ab.
Wir bleiben zunächst hier und werden abgefüttert. Und ob es
schmeckt! Wir sind ja ausgehungert und da schmeckt alles.
Hier esse ich zum ersten Mal in meinem Leben Schweinefett
als Brotbelag. Und da haben wir früher die Schmalz fressenden
Preußen verunglimpft, um nun feststellen zu müssen, dass ein
Schmalzbrot mit Salz eigentlich ganz gut schmeckt.
Im Lazarett - ein Franziskaner aus Sigmaringen besucht mich
Der Feldgeistliche des Lazaretts kommt. Süddeutsche seien wir?
Badenser? Er sei aus dem Franziskanerkloster in Gorheim bei
Sigmaringen28. Wir unterhalten uns ganz gut. Gegen 10 Uhr
nachts, ein paar von uns schlafen schon, müssen wir uns zur
Weiterfahrt nach Orteisburg fertigmachen. Draußen warten
schon die Lastautos auf uns in der Winternacht. Die Fahrer
leuchten mit Sturmlaternen beim Einsteigen und Hochheben
der Kameraden. Nach einigem Warten geht es los ... Hin und
wieder stöhnt mal einer, sonst hört man nur das gleichmäßige
Arbeiten des Motors und das Gerumpel auf dem Pflaster. Bald
darauf hält die Wagenkolonne auf einem freien Platz. Wir sollen
absteigen. Es ist verdammt kalt. Wir fragen: „Und jetzt?"
Die Chauffeure zucken mit den Achseln und fahren weg.
Dann erfahren wir, dass wir vor der Jägerkaserne abgesetzt
worden sind. Was weiter geschehen wird, weiß noch niemand.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2014/0371