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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
94. Jahresband.2014
Seite: 414
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41 4 Jonannes Werner

In diesen Worten liegt, wenn man so will, insofern schon
„etwas Zeitbildliches''4, als man auch auf den Burgen allen
Grund hatte, den Winter zu fürchten und sich nach dem Frühling
zu sehnen; dort, wo man keinen Raum heizen konnte
außer dem einen, der einen Kamin besaß und der daher „Kemenate
" hieß.5

Doch ist noch ein sogenanntes „Taglied" zu zitieren, das,
nach hergebrachter Weise, die frühe Stunde beklagt, in der die
Liebenden sich trennen müssen, um nicht entdeckt zu werden:

Ir beider fröide ein trüren wart,

dö si sich scheiden • muosten, und der tac üf brach.6

Diese Worte schlagen eine Saite an, werfen einen Schatten voraus
. „Stets hell und heller wird's: wir müssen scheiden", sagt
Julia, viel später, nämlich bei Shakespeare, und Romeo entgegnet
: „Hell? Dunkler stets und dunkler unsre Leiden!"7

Brunos Worte sind nicht an den Ort gebunden, an dem er
sie schrieb; sie haben keinen lokalen, keinen regionalen, ja
nicht einmal einen nationalen Hintergrund, den es ohnehin
noch nicht gab; hinter ihnen steht das, was die Troubadours
und Trouveres gedichtet hatten, und neben ihnen das, was die
Minnesänger daraus machten, und vor ihnen noch mehr.
Bruno von Hornberg gehört zur Geschichte der europäischen
Literatur.

Immerhin sind wir, hier in Hornberg, an einem literarischen
Ort; sind wir aber auch in einer literarischen Landschaft
? Eher nicht. Denn die Ortenau ist zwar immer wieder
dichterisch dargestellt und gerühmt worden, hat aber selber,
außer jenem Bruno, keinen bedeutenden Dichter hervorgebracht8
- es sei denn seinen Zeitgenossen Egenolf von Staufenberg
, der auf Burg Staufenberg bei Durbach saß und mit einer
Versnovelle auf die Nachwelt kam, oder den aus Willstätt bei
Kehl gebürtigen Johann Michael Moscherosch, dessen „Wunderliche
und wahrhaftige Gesichte Philanders von Sittewald"
aber auch nur eine Übersetzung und Fortsetzung der „Suenos"
des spanischen Dichters Quevedo sind; sein ungleich bedeutenderer
Zeitgenosse Grimmelshausen war ja nur durch den
Dreißigjährigen Krieg in die Ortenau verschlagen worden.

Aber vielleicht ist die Literatur nicht nur das, was die Literaturwissenschaft
zunächst unter Lyrik, Dramatik und Epik versteht
und verbucht; vielleicht gibt es noch etwas, was sich
nicht in diese Fächer fügt und trotzdem literarisch ins Gewicht
fällt? Ja: unter anderem und zum Beispiel die Autobiografie,
die „Selberlebensbeschreibung", wie der große Jean Paul sie


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