Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
95. Jahresband.2015
Seite: 385
(PDF, 94 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2015/0386
Innenansicht einer Klosterschule - Hermine Villinger in Offenburg O Q C

Die reverende mere und alle meres waren schon da; wir knieten
nieder und empfingen ihren Segen. Was kann uns im Leben noch
Böses widerfahren nach einem so heiligen Augenblick! (1)

So lautet der erste Eintrag in diesem Tagebuch, und er schlägt
schon den hochgespannten, ja überspannten Ton an, der das
Ganze durchzieht. Die kleine Klosterschülerin glaubt genau zu
wissen, was das Wichtigste in diesem Leben ist; sie glaubt es unbesehen
, weil die meres es ihr so gesagt haben.

Die „meres": das sind die reverende mere, die mere assis-
tante, die mere prefete und wie sie alle heißen. Diese Bezeichnungen
passen ins Bild, denn nach einem halben Jahr darf niemand
mehr ein deutsches Wort sprechen. Es geht jetzt ganz französisch
zu von morgens bis abends und in allen Stunden. (8) Um so
weit zu kommen, müssen sich die Schülerinnen einige Mühe
geben. Man überhäkelt einen großen Kieselstein mit Garn, daran
kommt ein ziemlich langes, gehäkeltes Schwänzlein; sodann nimmt
man den Kieselstein in den Mund beim französischen Lesen, damit
man eine leichte Aussprache bekommt. Manchmal gibt's ein kleines
Wurgsen, aber das macht nichts, denn man hält ja das Schwänzlein
des Kieselsteins in der Hand. (18)

Ansonsten sind es nicht viele, aber umso sorgfältiger ausgewählte
Fächer, mit denen man die „höheren Töchter" behelligt
: Musik, Kunst, Handarbeit, auch etwas Geographie, Geschichte
und Literatur. Lessing und Goethe sind die ärgsten Freigeister
, vor denen man sich nicht genug hüten kann. Von Schiller
darf man einiges lesen, der ist besser. (84) Religion wird auch gelehrt
, ist aber ohnehin allgegenwärtig: nicht nur in den anderen
Fächern, sondern auch in den Gottesdiensten und den
Gebeten, die regelmäßig zu verrichten sind.

Unter Religion ist allerdings nur die alleinseligmachende
katholische zu verstehen. Manche Mädchen vergießen bittere
Tränen darüber, dass ihr Vater oder ihre Mutter protestantisch
ist. Natürlich kann ein Protestant nicht direkt in den Himmel kommen
[...]. Er muß also in das Fegefeuer kommen und geläutert werden
, bis die Reue ihn tief ergriffen hat. (104) Und einer der meres
macht es oft großen Kummer, dass Hermine nach Karlsruhe zurückkehren
wird, wo sie notgedrungen mit so vielen Protestanten
verkehren muss. (70)

Da scheint es doch besser, im Schutz der Klostermauern zu
bleiben, den die Mädchen ja in all den Jahren kaum verlassen
haben. Einige von ihnen treten ins Noviziat der Klosterfrauen
ein, und auch Hermine ist fest entschlossen, diesen Schritt zu
tun, obwohl kaum jemand an ihre Berufung glaubt und sie
selber auch nicht recht.4 Immer wieder mußte ich denken: will


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau2015/0386