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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
95. Jahresband.2015
Seite: 486
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486 Andreas Morgenstern

Aber natürlich hatte auch die Wirtschaft gelitten. Im Februar
1924 bat die Tuchfirma „Korndörfer" um eine Senkung der
Gemeindeumlage. Die Begründung: Das „letzte Geschäftsjahr
[war] für mich verlustbringend. Bei Aufstellung der vorgeschriebenen
Goldmarkbilanz per 31. Dezember 1923 ergibt sich im
Vergleich zum Geschäftsvermögen am 31. Dezember 1913 eine
Kapitalentwertung von rund M 70000,- was einer Verminderung
von 30% gleichkommt." Und auch 1924 sei es nicht besser
geworden. Im Januar hätten die gesamten Betriebseinnahmen
die Ausgaben um lediglich 70 Mark überstiegen. Im November
beklagte Korndörfer die „gegenwärtige ganz aussergewöhnlich
schlechte Geschäftslage". Noch 1926 fanden die Klagen kein
Ende.60 Wie Korndörfer ging es vielen Unternehmern.

Aber auch die Nahrungsmittelversorgung besserte sich
nicht rasch. 1924 war Schiltach u.a. auf „Schweizermilch"61
und verbilligte Milchangebote für notleidende Familien angewiesen
.62 Die Verlierer der Inflation waren zahlreich. Zu den
praktisch enteigneten Sparern - dabei hatte mancher jahrelang
eine Aussteuer zusammengespart und stand nun vor den
Trümmern der eigenen Lebensplanung - gehörte dabei vor
allem das Vertrauen in die den Alltag umfassenden Strukturen.
Vielen Handeltreibenden wurde in Unwissenheit der tatsächlichen
Hintergründe die Verantwortung für den Preisauftrieb
zugeschoben. Der Begriff der „Teuerung" zeigt schon an, wem
vielfach die Verantwortung für die Preissprünge zugeschrieben
wurde. Eine neue Käufer-Verkäufer-Beziehung musste sich erst
wieder entwickeln. Blieb sie aus, behinderte das die Wiederentfaltung
des Handels.

Der größte Verlierer an Vertrauen war aber sicherlich die
Weimarer Republik, die, so die Meinung vieler Menschen, eine
Geldentwertung zugelassen hatte, die im Kaiserreich mit seiner
Vorkriegspreisstabilität nie eingetreten wäre. Dass aber die Inflation
bereits 1914 Fahrt aufgenommen hatte und in der Finanzierung
des Kriegs durch eine ungedeckte Verschuldung
die Wurzel des späteren Währungszusammenbruchs lag, nahmen
die Menschen nicht wahr. Die innerstaatliche Entschuldung
der Republik kostete so einen hohen moralischen Preis.
Der Währungsschnitt selbst war aber wohl eine insgesamt
notwendige Entscheidung am Ende einer neunjährigen Währungsentwertung
.

Nachwirkungen der Ereignisse vor so vielen Jahrzehnten
lassen sich aber noch heute nachspüren. Tief hat sich in das
deutsche Kollektivbewusstsein Angst vor dem Verlust aller Ersparnisse
und aller wirtschaftlichen Sicherheiten eingegraben.


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