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der kranken Weis-Kinder ihn als Vertrauensperson bestätigte. Solch glückliche Lehrjahre
sind von kaum zu überschätzender Bedeutung. Oesterle war kein Maler der
Heimat im topographischen Sinne. Vergebens sucht man nach solchen Darstellungen
in seinem Werk. Die Landschaft des unteren Breisgau hat den sensiblen Dorfbuben
dennoch nachhaltig beeinflußt und geprägt. Auch als reifer Künstler wurde
er nie zum „Stadtmaler". Bäume, Ährenfelder, Sämann und Schnitter, Frauen bei
der Ernte, der Weinlese oder beim Obstpflücken, der Fischer am Wasser, all dies
bewegte Gemüt und Geist, nicht die urbane Industrielandschaft. Der frühe Tod der
Eltern mag den Lebensernst und die Neigung zur Transzendenz und zum Religiösen
sensibilisiert und gesteigert haben. In vielen Kompositionen finden wir das Todesmotiv
, die Klage und die Trauer. Auch alttestamentarische Themen beschäftigten
schon früh seine Fantasie. Doch, noch ist es noch nicht soweit. Harte Arbeit und
große Entbehrungen standen noch bevor.

Berlin, die Kunststadt

Oesterles erster Berlinaufenthalt um die Jahrhundertwende gibt ihm die Möglichkeit
zur Weiterbildung. Anschließend besucht er die Großherzoglich Badische Kunstgewerbeschule
in Karlsruhe. 1906 kommt es zur Begegnung mit Lovis Corinth. Vier
Jahre arbeitet und lernt der Kunstjünger bei dem großen anerkannten Meister. Eine
neue Dimension tut sich auf. Berlin ist der Mittelpunkt des deutschen Kunstlebens.
Heinrich Zille, Emil Orlik, Hans Baluschek werden seine Freunde. Der Grafiker Hermann
Struck gibt dem Maler Oesterle Anstösse zur Griffelkunst. Die ersten Radierungen
entstehen. Bekannte Berliner Verlage bringen Auflagen-Drucke heraus.
Oesterle findet Beachtung, man spricht und schreibt über ihn, auch in Paris. Der
1. Weltkrieg ermöglicht dem Künstler-Soldaten nur bedingtes Arbeiten. Dann
kommt die Nachkriegszeit: Armut, Inflation, Großstadtelend. Dies alles sieht und
erlebt Oesterle. In einem Brief an seinen Bruder Georg in Kenzingen kommt er auf
diese Erlebnisse zu sprechen und begründet sein persönliches politisches Engagement
. Zusammen mit Käthe Kollwitz, mit der ihn eine herzliche Freundschaft verbindet
, betätigt er sich in den Bildungsverbänden der Freien Gewerkschaften. Die
Berufung in den Lehrkörper der Reimann-Schule (1919) entspricht einer Anerkennung
seiner pädagogischen Fähigkeiten. Das international arrivierte Kunstinstitut
nimmt in seiner Zielsetzung den Bauhausgedanken vorweg.

In den 20er Jahren ist Oesterle auf der Höhe seiner künstlerischen Persönlichkeitsentfaltung
. Auf allen bedeutenden Ausstellungen der Reichshauptstadt ist er anzutreffen
. Sein kurzes und erfülltes Leben ging schon mit 52 Jahren zu Ende. Ein
schwerer und entbehrungsreicher Lebensweg hatten seine Kräfte frühzeitig verbraucht
. Der anerkannte Maler-Radierer hinterließ ein respektables Werk: 235 Ölgemälde
, etwa 1000 Radierungen, 278 Handzeichnungen, 85 Aquarelle sowie
Lithos, Holz- und Linolschnitte und keramische Arbeiten. Die geistige Spannweite
erschöpfte sich nicht im bereits angedeuteten, sondern umfaßt alle Bereiche der
Vita, von der Kontemplativa über die soziale Thematik bis zur gesteigerten Sinnen-
haftigkeit. Sein guter Freund, der Maler und Akademie-Professor Georg Tappert,
lobt die schlichten Impressionen von der Spree und der Havel, die im Radierwerk
und den expressiven Aquatintablättern eine eigene Handschrift offenbaren, wie
auch die scheinbar hingehauchten herrlichen figuralen Aquarelle, die zum Schön-

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