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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1982-2_3/0026
Lehren ausgehend, wagte er den Sprung ins Ungewisse mit allem, was er in sich hatte
und das war nicht wenig, ohne Rücksicht auf Verluste.

Finanzielle, gewinnbringende Überlegungen waren ihm fremd, es war ihm einfach
unmöglich aus seinem Wissen und Können Profit zu ziehen. Allein mit Horoskopen
wäre es ihm ohne weiteres möglich gewesen, reich und damit angesehen zu werden.
U.a. erfand er auch ein patentiertes Gerät, das ermöglichte, die Konstellation, d.h. die
Stellung der Himmelskörper zueinander, zu fixieren.

Was er aus den Sternen zu lesen glaubte, bestärkte und überzeugte ihn von der Unzulänglichkeit
und Sinnlosigkeit alles Tuns. Von tiefster Resignation erfaßt, sprach er oft
vom kommenden Krieg und vom Untergang.

Seine Prognosen waren vielfach verblüffend genau. Einmal gab er mir ein verschlossenes
Kuvert, das ich erst mit seiner Zustimmung öffnen sollte, die er dann ein halbes Jahr
später gab. Auf einem Zettel stand, daß am (Datum) ein Mädchen (mit Namen) sterben
wird. Das Mädchen starb tatsächlich an diesem Tage. Eine Warnung an die Familie des
Mädchens wäre bedenklich gewesen, hätte Angst und Unruhe gestiftet, ohne etwas zu
bewirken, er konnte nur hoffen, sich geirrt zu haben. Ansonsten machte er kein Aufhebens
mit seinen Voraussagen. Nur einmal als der Krieg ausbrach, machte er eine Ausnahme
. Wir saßen mit Freunden zusammen in einer Gartenwirtschaft. Die aufgeladene
Atmosphäre veranlaßte ihn, aber ganz ohne Pathos, vorauszusagen, wer von uns im
Felde bleibt, wer zurückkehrt und wer als erster aus Kenzingen fällt, was auch eintraf.
Daß einer solch spektakulären Auslassung eine enorme Arbeit und ungeheuere Selbstüberwindung
voraus geht, bleibt dem Laien verborgen. Ebensooft sind seine Prognosen
danebengelegen, aber Fehlschlüsse nahm er mit Achselzucken hin: „Die Sterne lügen
und bestimmen nicht, sie tendieren." Wegen dieser Ungewißheit auch hielt er Geschäfte
mit Horoskopen für unseriös und für ihn nicht machbar.

Im vorzeitigen Alter fesselte ihn ein Schlaganfall mit nachfolgender Lähmung an den
Stuhl, aber der Geist blieb ungetrübt und half ihm, über jede Situation hinweg zu
kommen, und er fand es keineswegs erniedrigend, Heimarbeiten für Fabriken zu
machen. Allerdings hatte er auch das Glück, in einer dankbaren Familie aufgenommen
zu werden, die ihn, als er mittellos war, nicht ins Altersheim abschob, sondern ihm den
Glauben gab gebraucht zu werden.

Köstlich sind seine Briefe, die in sarkastischen Humor getaucht bezeugen, daß er auch
ein erfolgreicher Schriftsteller hätte werden können.

Die Frage bleibt offen: „Was ist der Sinn und Zweck eines solchen Menschenlebens,
eines Menschen, der zu den besten Hoffnungen berechtigt, aber die Sucht mitbringt,
nichts, aber auch gar nichts, aus sich zu machen oder machen zu lassen?"
Wenn von Kenzinger Gelehrten gesprochen wird, muß auch an Dr. Theodor Bilharz
erinnert werden, geb. 1825, gest. 1862, der den Erreger der nach ihm genannten „Bilharziose
" fand. Philipp Vandenberg schreibt in seinem Buch „Der Fluch der Pharaonen":
„Bilharz stammte aus Kenzingen in Baden, wo sein Vater Kammerrat beim Fürsten von
Hohenzollern-Sigmaringen war."

Nach Meyers enzyklopädischem Lexikon ist Theodor Bilharz in Sigmaringen geboren.
Dem steht nicht entgegen, daß er, bzw. seine Eltern oder Großeltern aus „Kenzingen in
Baden" wie Vandenberg schreibt, stammen, was noch zu ermitteln wäre. So eine präzise
Ortsangabe kann doch nicht aus der Luft gegriffen sein.

(Anmerkung der Redaktion: Eine ausführliche Würdigung der Arbeiten von Dr. Theodor
Bilharz erfolgt in einer der nächsten Ausgaben)

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