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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1982-2_4/0011
Die Zwanziger-Jahre in Kenzingen

Erinnerungen von Fritz Kölsch

Als ich im April 1922 zu einer kurzen Vertretung Kenzinger Boden betrat, waren für
mich der Breisgau und diese Stadt völliges Neuland.

Benommen von der Unsicherheit durch die vielen Fragezeichen, war zunächst so etwas
wie Ablehnung in meinen Gedanken. Doch bald wurden alle Bedenken zerstreut, in kurzer
Zeit stand ich neben meinem Beruf mitten im Leben der Kenzinger Bürger. Und, wie
es manchmal so zugeht: Für die nächsten vierzehn Jahre bin ich dageblieben.

Es gab noch kein Fernsehen und kein hausgeliefertes Unterhaltungsangebot. Dafür mußte
man selbst sorgen. Meine gesellschaftlichen Ambitionen führten mich zum abendlichen
Treff in den Gesangverein, die Lesegesellschaft, den Schwarzwaldverein und andere
Kreise. In der Rückschau kommt mir dieses Aufeinander-Zugehen so einmalig vor
und das Tätigsein in geselliger Runde so beglückend, daß diese, auch für mich »Goldenen
Zwanziger-Jahre«, zu meinen unvergeßlichen Erinnerungen zählen.

Höhepunkte in der »Eintracht« waren die Sängerreisen, zumal die nach Wien, zum großen
Schubert-Jubiläum anno 1928. Preisgekrönt kamen wir von manchem Sängerwettstreit
zurück. Die strenge Probenarbeit gipfelte meist in einem Konzert mit anschließendem
Ball. Zu Walzer und Foxtrott spielten Klavier und Geige auf. Die alljährlich stattfindenden
Theateraufführungen - bei uns »Schauspieler« Luststücke genannt - fanden
durch ihre fantasie- und humorvollen Regieeinfälle allgemeinen Anklang und fröhliche
Zustimmung. Daß da ein unverbesserlicher Junggeselle jedes Jahr mit einem andern
Mädchen verlobt wurde, war unvermeidlich. Aus solchen Bedrängnissen ging er jedoch
ohne Schaden hervor.

Fritz Kölsch, ehemalige Realschule, Linolschnitt 14 \ 9 cm.
Mein Arbeitsplatz 1922 - 1936 als Zeichenlehrer.

Eine andere, noch turbulentere Art der Geselligkeit war die Kenzinger Fasnet. Mit dem
rheinischen Karneval hat sie hierzulande nichts zu tun. Sie ist urwüchsiger und persönlicher
und geht dem, der sich ihr einmal verschrieben hat, richtig unter die Haut. Meist
war ich nicht bei den kostümierten Narren, sondern saß brav zwischen dem Volk in einem
der gemütlichen Wirtshäuser. In immer neuen und einfallsreichen Vermummungen kamen
die ledigen und verheirateten Frauenzimmer, als verhutzelte komische Alte verkleidet
, auf uns Mannsbilder zu und sagten uns alle Schand'; sie konnten sich selbst und uns
nur mit einem beißenden Schluck aus ihrem Gütterle besänftigen.

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