Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
5. Jahrgang.1985
Seite: 73
(PDF, 23 MB)
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Der Baum in der Dichtung

Die immer wieder von neuem aufflammende Umweltdebatte trägt als besonderes Kennzeichen, daß
die Sorge um die Bäume und den Wald alles andere überschattet, obwohl wir genau wissen, daß auch
Kulturdenkmale, landwirtschaftliche Kulturen, Wildtiere und Fische und natürlich auch unsere eigene
Gesundheit unter den Folgen der Luftverschmutzung leiden. Wenn in einer Stadt oder auch in einem
Dorf ein älterer Baum einer Straßenverbreiterung oder einem Umbau weichen soll, fühlen sich
viele Bürger jeden Alters, jeden Standes und jedes Geschlechtes aufgerufen, für seine Erhaltung notfalls
sogar mit Demonstrationen einzutreten. Warum reagieren wir so empfindlich, wenn der Wald
bedroht ist, oder auch nur ein einzelner Alleebaum, auch wenn er uns nicht gehört? Es spricht vieles
dafür, daß Baum und Wald tief in unserem Denken, fast möchte man sagen archetypisch, verankert
sind und eine reiche Symbolkraft aufweisen.

Der Baum ist Symbol für hohes Alter, ewiges Leben, Glück, Stille, Geborgenheit, Mutter
und Abhängigkeit der Generationen voneinander sowie Verantwortung füreinander. Wir
pflegen daher Wunschbäume, Friedensbäume und sind stolz auf unseren Stammbaum.

Der Baum ist auch Symbol der jährlichen Wiederkehr und Erneuerung des Lebens, das wir
am Maibaum, in den Birken zu Fronleichnam und im Christbaum ausdrücken.

Schließlich ist sein senkrechter, überragender Wuchs Symbol für die Überwindung der erdgebundenen
Dunkelheit und das Streben zum Licht und somit auch Symbol für die Vermittlung
zwischen Mensch und Gott. Diese Symbolik kommt in den Säulen, Tempeln, Kirchen
, Rathäusern zum Tragen, die ursprünglich aus dem Baumstamm hervorgegangen
sind.

Die knappe und unvollständige Aufzählung der Baumsymbole macht deutlich, daß der
Anblick eines Baumes und seiner Gemeinschaft des Waldes uns in unserem Innersten berührt
und Urbilder von menschlichen Vorstellungsmustern aufwühlt. Durch die Bedrohung
der Bäume wird in uns all' das bedroht, wofür der Baum und auch der Wald Symbol
sind, nämlich Glück, Frieden, Geborgenheit, Erneuerung, Glaube.

Es ist wahr: Es hat Zeiten gegeben, wo die Bäume hauptsächlich an ihren Nutzungserwartungen
gemessen wurden, und wir sie nicht mehr als Zuflucht unserer Seele gesucht und ihre
kraftvolle Gelassenheit gepriesen haben. Ihr Verstummen hat uns genötigt, sie wieder
ins Gespräch zu bringen. Wir haben ihre Verletzlichkeit und Unersetzbarkeit entdeckt und
sind uns wieder der Wohlfahrtsaufgaben der Bäume und des Waldes bewußt geworden .
Langsam begreifen wir wieder, daß Bäume nie im Wege stehen und mehr sind als nur
Holz- und Schattenspender.

Sie scheint vorüber zu gehen - jene Zeit der Trägheit und Unvernunft unseres Umgangs mit
Bäumen. Sie haben einen Bedeutungswandel in einem für uns überschaubaren Zeitraum
erfahren. Es wird wieder versucht, die Sprache der Bäume verständlich zu machen und ein
Defizit verschütteter Empfindungen auszugleichen, vielleicht sogar wieder mehr Liebe zu
den Bäumen zu wecken.

Wir haben wieder erkannt, nur wo ein Baum grünt ist Leben. Der Baum ist ein Sinnbild
dieses Lebens! Seit jeher! Bildhaft und zum Miterleben symbolisiert er den Wechsel der
Jahreszeiten und ist ein Zeichen des Werdens und Vergehens, um mit dem Wort der Dichter
zu sprechen.

Die gleichnishaften Bezüge zwischen Baum und Mensch sind schon in vielen Sprichwörtern
und Gedichten festgeschrieben, in gefühls- und erlebnisbetonter Dichtung, in Gedanken

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