Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
6. Jahrgang.1986
Seite: 15
(PDF, 21 MB)
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genossenschaften, in denen dann auch die Nutzung der Allmende geregelt wurde, da diese-
ausschließlich ihren Mitgliedern oder Genossen zustehen sollte. Um den Eigenbedarf zu sichern
und um Ausbeutung zu verhindern, galt für Allmendnutzungen innerhalb der Markgenossenschaft
ein Ausfuhrverbot. Dadurch war der Handel zwischen dem Land und den
später entstehenden Städten erheblich behindert. So galt als ein Ärgernis der Bürger von
Kenzingen, deren Stadt auf Eigenbesitz der Üsenberger gegründet war, daß ihnen die Bauern
des zum Kloster Andlau gehörenden Dorfes Alten-Kenzingen kein Holz verkaufen
durften. Jedoch noch bevor es zu einer allgemeinen Auflockerung des Ausfuhrverbotes
kam, hatten die Bürger der Stadt Kenzingen eine kleine Gemarkung aus dem üsenbergi-
schen Eigengute erhalten, um ihren Bedarf zu decken. Noch heute ist gelegentlich aus dem
Volksmunde die Vorstellung zu hören, daß es sich bei dem Bürgernutzen der Stadt Kenzingen
um ein Vermächtnis der Üsenberger handle.

Die herkömmlichen Nutzungsregeln über die Allmende sind in der 1831 erlassenen badischen
Gemeindeordnung wesentlich bestätigt worden. Allmendgut ist danach derjenige
Teil des Grundvermögens, »dessen Eigentum der Gemeinde, dessen Genuß aber den Bürgern
angehörig ist«. Das Gemeindeeigentum oder eine gemeinsame Nutzung galten zwar
im 18. Jahrhundert als fortschrittshemmend, doch hatte das Allmendgut die bedeutende
volkswirtschaftliche Aufgabe, Bürgersöhnen im Heiratsalter eine Existenzgründung als
selbständige Landwirte zu ermöglichen, um nicht in den Stand der Tagelöhner zu verfallen
oder in die Fabriken drängen zu müssen. Mit zunehmendem Bevölkerungswachstum konnte
der Bürgernutzen diese soziale Aufgabe jedoch nicht mehr erfüllen, denn der Neueintritt
hing beim Allmendland davon ab, bis ein Los wieder frei wurde. So stieg das Durchschnittsalter
der wartenden Jungbürger ständig an. Die Auflösung der Allmenden wurden
in Süddeutschland gesetzlich überall begünstigt und in Norddeutschland durch die preußischen
Agrarreformen hoheitlich vollzogen. 1874 wurde in den 7 großen Stadtgemeinden
Badens das Bürgerrechtsgesetz, das den Bürgernutzen regelte, außer Kraft gesetzt. Schließlich
durfte nach der deutschen Gemeindeordnung von 1921 der Bürgergenuß in keiner Gemeinde
mehr erweitert werden und der Neueintritt wurde in Gemeinden mit mehr als
10.000 Einwohnern durch die Gemeindeordnung untersagt.

Trotzdem wurde nach dem letzten Kriege in vielen kleineren Gemeinden Badens der Bürgernutzen
weiterhin gewährt. Jüdischen Familien, denen wegen ihrer »Rechtlosigkeit«
durch die Nürnberger Gesetze von 1935 der Bürgernutzen entzogen worden war, mußten
nach dem Kriege von den jeweiligen Gemeinden dafür finanziell entschädigt werden. So
geschah dies auch bei einer Familie, die in Kenzingen gelebt hatte.
In Kenzingen waren weiterhin über 500 Bürger nutzungsberechtigt. An diese wurden jeweils
nach Familiengröße bis zu 6 Ster Brennholz (1 Ster = 1 m3) und durchschnittlich 18
Ar Allmendland (9 Ar Acker, 9 Ar Wiese) vergeben. Wegen der unterschiedlichen Beschaffenheit
wurde das Holz unter den Berechtigten verlost.

Für das aus dem von der Gemeinde bewirtschafteten Wald stammende Bürgerholz ist nur
eine billige Gebühr und der Löserlohn zu entrichten. Seit dem 1.4.1956 untersagt jedoch
die Gemeindeordnung von Baden-Württemberg den Neueintritt in den Genuß für Gemeinden
mit mehr als 3.000 Einwohnern und bald darauf den Neueintritt überhaupt. In Kenzingen
erhalten heute noch diejenigen Bürger das Bürgerholz, die bereits vor 1956 ihr Recht
angetreten haben.

Eine in germanischen Zeiten entstandene Rechtstradition verliert nun, verdrängt durch die
Entwicklungen der Neuzeit, ihre endgültige Wirkung in der späten Mitte unseres Jahrhunderts
.

Thomas Bilharz

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