Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
6. Jahrgang.1986
Seite: 64
(PDF, 21 MB)
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Maßnahmen der örtlichen Behörden

Es bestand die Flüchtlings-Aufnahmepflicht der Gemeinde, zugleich auch bis 1948 die Zuzugssperre
aus anderen Zonen und aus dem Ausland. Alle Bevölkerungsbewegungen wurden
streng kontrolliert und auch die nicht zuzugsberechtigten Personen erfaßt. Flüchtlinge
, Volksdeutsche oder andere Zugezogene, die vor dem 1.5.1945 in Kenzingen gewohnt
haben, erhielten automatisch das Recht weiter im Orte zu wohnen. Zur besseren Kontrolle
hat man am 8.5.1947 einen grünen »vorläufigen Flüchtlingsausweis« eingeführt. Er diente
auch der Kontrolle der unerlaubten Reisen und der Lebensmittelversorgung.

Am 8.11.1946 wurde für die Vorbereitung der kommenden Flüchtlingsbetreuung in Kenzingen
ein Ortsausschuß für Flüchtlingshilfe unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Fasoli
gebildet. Weitere Mitglieder des Flüchtlingsausschusses waren: prakt. Arzt Dr. Schwörer,
Stadtpfarrer Dr. Marquardt, Pfarrer Kraut, Fräulein Elisabeth Bilharz, Frau Fritz Müller,
Gemeinderat Josef Ersch, Gemeinderat Franz Engler und Leo Dörenbecher. In der Sitzung
vom 1. März 1947 erfolgte die Bekanntgabe der Verfügung des Landrats, wonach die
ersten Flüchtlingstransporte im Kreis Emmendingen eingetroffen sind. Demnach hat die
Gemeinde Kenzingen in absehbarer Zeit die Zuteilung von Flüchtlingen zu erwarten. Aus
diesem Grund ist so bald wie möglich mit der Einrichtung einer vorläufigen Unterkunft
nebst Kochgelegenheit für die ankommenden Flüchtlinge zu beginnen.

Als Sammelunterkunft wurde die Landwirtschaftsschule vorgeschlagen, daselbst ist auch
Gelegenheit zur Einrichtung einer Küche gegeben, um eine vorläufige Gemeinschaftsverpflegung
durchführen zu können. Gegebenenfalls kann auch die Metzgerei Ludwig Schäfer
als Gemeinschaftsküche eingerichtet werden und das Essen unter zur Hilfenahme von
großer Milchkannen in die Sammelunterkunft transportiert werden.
Mit dem Ausbau der Landwirtschaftsschule zu einer vorläufigen Unterkunft soll sofort begonnen
werden. Einzurichten wäre, ein Schlafraum für weibliche Personen und ein Schlafraum
für männliche Personen, der dazwische liegende Arbeitssaal soll als Tagesraum bzw.
gleichzeitig als Speiseraum eingerichtet werden. Wenn möglich sollen die einzelnen Schlafstellen
mit einer spanischen Wand aus Rupfen oder Papier umgeben werden, um die
Schlafräume etwas wohnlicher und diskreter zu gestalten. Für die Flüchtlinge sollen auch
Strohschuhe hergestellt werden. Es wurde festgestellt, daß die vordringlichsten Aufgaben
die Beschaffung der Betten (etwa 60 Stück), die Einrichtung einer Kochmöglichkeit und
die Instandsetzung des Gebäudes seien.

Die Sammelunterkunft dient nur dazu, um einer überraschenden Ankunft von Flüchtlingen
nicht unvorbereitet gegenüber zu stehen. In absehbarer Zeit wird dann die Zuweisung
von Wohnungen und Einzelzimmern an die Flüchtlinge veranlaßt werden. Es wurde beschlossen
, gegen widerspenstige Einwohner, die sich ohne stichhaltige Gründe gegen die
Aufnahmen von Flüchtlingen weigern, schärfstens vorzugehen. Es soll alles versucht werden
, den Flüchtlingen eine neue Heimat zu schaffen und den arbeitsfähigen Personen sobald
wie möglich eine Beschäftigung zuzuweisen.

Wie groß die Not der Kenzinger in dieser Zeit gewesen war, ersieht man aus einem Vorschlag
des Bürgermeisters, an die Landwirte und Selbstversorger einen Aufruf zu erlassen,
worin dieselben gebeten werden, wenn möglich hin und wieder ein Kind aus einer kinderreichen
Familie zum Mittagessen aufzunehmen, um die größte Not zu lindern.
Die Gemeinde war nicht befugt, zuziehenden Personen eine Zuzugsgenehmigung für die
Gemeinde zu erteilen oder zu verweigern. Diese Befugnis unterstand in erster Reihe dem
Leiter des Aufnahmeverfahrens und dem Beauftragten der Bundesregierung. Der Flüchtling
erhielt zuerst gemäß § 1 des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das
Bundesgebiet durch einen Beschluß des Aufnahmeausschusses die Erlaubnis zum ständigen
Aufenthalt im Bundesgebiet. Dann wurde, wenn die Möglichkeit bestand, dem Flücht-

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