Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
6. Jahrgang.1986
Seite: 69
(PDF, 21 MB)
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bringung in den Holzhäusern dauern werde. Die Stadt möge hinwirken, daß die hiesige Fa.
Kaiserwerke Lehrlinge in ihrem Betrieb beschäftigen und damit auch für die Flüchtlingsjugend
Lehr- bzw. Arbeitsstellen schaffen solle.

Das programmreiche Erntedankfest gestaltete am 28.9.1954 ebenfalls der Ortsverband der
Heimatvertriebenen. Die Festansprache hielt Reg.Landw. Rat Schäufele. Die Darstellung
eines »Schlesischen Erntefestes« bildete wohl den Höhepunkt der Festfolge. Auffallend
groß war die Beteiligung der Jugendgruppe im Sprechchor aber auch im Singspiel: »Wenn
mer Sunntichs ei de Kerche giehn.«

Die Deutschen aus dem Osten waren auch in ihren nach Herkunftsort organisierten landsmannschaftlichen
Verbänden tätig.

Aussagen von Vertriebenen

0. H.: Neun Jahre trugen wir schon das schwere Schicksal der Menschen, die kein Zuhaue
haben: Umsiedlung, Kolonistenlos, Krieg, Trennung, Flucht, Auffang- und Massenlager
und immer die Angst, die Sorge, ob wir uns nochmals finden, ob ein Neubeginn möglich
sein wird. Da landeten wir in der Kieselquerstraße von Kenzingen. Keine Kochgelegenheit
und wir hatten zwei kleine Kinder. Wir stießen dann kurz vor Weihnachten in der Brodstraße
auf einen »wahren Christen«. »Dem Christkind zu lieb, nehmen wir euch an.« Und
wir blieben in der warmen Familie als ständig Beschenkte, bis wir uns ein eigenes Haus gebaut
hatten. Andere Familien brachten uns Kochgeschirr, Kinderschlitten und noch mehr.
A.B.: Ich wohne seit 1954 in derselben Wohnung. Das sagt doch alles.

E. H.: Wir Sudetendeutschen kamen in Kenzingen jeden Monat einmal zusammen. Der
Herbert Loch war doch so lustig und die Krämers haben so schön gesungen. Die Pflege der
eigenen Kultur hat aufgehört, als sich die Männer in hiesigen Vereinen verausgabten. Die
Kinder verstehen noch unseren Dialekt, sprechen ihn aber nicht mehr. Wir besitzen viele
Bücher, die über die Geschichte unserer alten Heimat in der CSSR und über unsere Vertreibung
berichten. Mit dem einstigen Pfarrer unserer Heimatgemeinde halten viele wie auch
wir noch die Verbindung.

A.L.: Der Ratschreiber Walter Linemann hat sich sehr um die Vertriebenen gekümmert.

F. Z.: Mein ganzes Leben hindurch habe ich geschuftet, zwei Häuser gebaut, jetzt bin ich
krank und zum Nichtstun verurteilt. Vor 30 Jahren herrschte in Kenzingen mehr Freude,
heute hört man überall nur Lärm.

H.R.: Bei mir im Zimmer finden Sie die ganze Stadt Breslau, wie ich sie gekannt habe: Das
ist das Rathaus, hier der Hauptbahnhof mit dem Kaiserportal, dort die Universität, weiter
oben die Holteihöhe und an der anderen Wand die Dominsel mit dem Dom und der Sandkirche
.

M.H.: Ich bin hier mit allem zufrieden. Es fehlen mir nur die Stimmen der Nachbarn aus
der alten Heimat.

G. B.: In Niedersachsen waren wir zu viele Flüchtlinge. Da schrieben 1950 unsere Verwandten
von Kenzingen: »Kommt, hier ist es sehr schön.« Uns traf es aber hart: Vater und Enkel
wohnten in der ehemaligen Gendarmerie, Mutter und ich am Kirchplatz, ohne Küche,
ohne Klo, kein Wasserhahn. Was aber das Menschliche anbelangt, haben wir hier aufatmen
können. Die Leute sind uns sehr entgegengekommen. Als evangelische Christen verglich
man uns allerdings mit den heidnischen Türken des Mittelalters.

1. L.: Wir waren die ersten Bewohner des Kenzinger Durchgangslagers. Es gab keine Türen
. Mit vorgehängten Decken versuchten wir dem Wind, den Eintritt zu verwehren. Unsere
'Habseligkeiten lagen auf Stellagen.

H. H.: In Schleswig-Holstein arbeitete ich 8 Jahre lang auf einem Bauernhof. Auf der
Flucht ist mir ein Säugling gestorben. In Kenzingen fand ich schnell Anschluß zu den Bewohnern
über meine Kinder und über den Schwarzwaldverein. Sommer 1985 besuchte ich
in Westpreußen nochmals das Bauernhaus meiner Schwiegereltern. Der neue Besitzer, ein
Pole, hat uns richtig bewirtet.

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