Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
7. und 8. Jahrgang.1987/1988
Seite: 130
(PDF, 52 MB)
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Das Garnier'sche Hausbuch

Das Garnier'sche Hausbuch1 umfaßt alle wichtigen Dokumente, die die Freiherren von
Garnier2 betrafen. Es enthält u.a. deren Adelsdiplome, die Güter und Einkünfte der jeweiligen
Besitzungen, die Arbeitsverträge ihrer Bediensteten, Vorschriften und Verordnungen
für ihre Untertanen u.ä. Die Unterlagen stammen hauptsächlich aus dem Ende des 17.
Jahrhunderts. Sie geben einen guten Einblick in das Leben der damaligen Zeit, welches zu
einem großen Teil durch die Person des Grundherrn bestimmt w urde, war er doch Gesetzgeber
(er erließ die Vorschriften), Richter (als Inhaber der hohen und niederen Gerichtsbarkeit
) und sogar der Eigentümer seiner Untertanen.

Den Einwohnern wurden einmal jährlich auf dem sogenannten Frevelgericht die »Statuta«
vorgelesen, »auf daß sich niemand mit Unwissenheit entschuldigen könne«, sodann wurden
sie darauf vereidigt.

Es wurde auch die Bedeutung der Eidesformel erklärt: Dabei bedeutete »schwören bey
dem Daumen als bei Gott dem Vater, bei dein andern (zweiten) Finger Gott der Sohn und
bei dem dritten Gott der heyl. Geist. Der vierte, unter sich geneigte Finger, bedeutet die
Seele, der kleinste, geringste, den menschlichen Leib. Die gantze Hand aber das Göttliche
Wesen, durch welche Allmacht Himmel und Erde, Sonn und Mohn, laub und gras und alles
, was leben hat auf Erden, erschaffen worden« -\

Daraufhin wurden die einzelnen Vorschriften und die dazugehörigen Geldstrafen aufgezählt
. So stand gotteslästerliches Fluchen unter Strafe (und zwar für die Männer eine doppelt
so hohe Strafe wie für die Frauen); es bestand die Pflicht zur österlichen Beichte sowie
zum Besuch von Sonn- und Feiertagsgottesdiensten. Ein jeder Kauf mußte vor Gericht
protokolliert und ratifiziert werden, da es bei »Winckelkaufen« immer wieder zu Streitereien
kam. Bei Wegzug mußte man sich bei der Herrschaft abmelden, sämtliche Schulden bezahlen
und von 10 Pfenningen einen abgeben. Ohne Erlaubnis durfte niemand heiraten,
Fremde beherbergen oder sonstige Bürger oder Hintersassen aufnehmen. Da unparteiische
Gericht große Kosten verursachten (man vergleiche die heutige Situation), sollten sie ohne
wichtigen Grund gar nicht mehr gehalten werden. Wirte durften niemandem über die gewöhnliche
Zeit ausschenken, d.h. es bestand schon damals eine Sperrstunde. Jeder (Forch-
heimer) Bürger sollte vor Austeilung des Schlagholzes drei fruchtbare Bäume (»Eych, Äpfel
, Bühren, Nuß«) pflanzen. Niemand durfte etwas außerhalb der Steuer verkaufen (Umsatzsteuer
). Wenn jemand durch Nachlässigkeit oder »Saumsehl« seine Behausungen,
Scheunen oder Ställe verwahrlosen ließ, so fielen sie der Herrschaft anheim, und der Betroffene
mußte noch Strafe bezahlen. Jedermann hatte sein Gewehr in ständiger Bereitschaft
zu halten und mit Munition zu versehen. Werg-4 und Hanfmachen zur Nachtzeit
bei Licht war verboten, denn durch die leichte Entflammbarkeit des Flachses konnten sehr
leicht Brände entstehen. Wer andere anzeigte, erhielt den dritten Teil der Strafe.

Daraufhin wurden die öffentlichen Ämter neu verteilt, und einem jeden der entsprechende
Eid abgenommen. Die Beamten mußten treuen Dienst schwören, die Jäger, daß niemand
Holz oder Wildbret aus der Herrschaft Wälder hinwegbringt; der Vogt, nach Recht und
Gerechtigkeit zu schauen, der Stabhalter mußte ihm dabei zu Hand gehen. Die Richter hatten
Recht zu sprechen ohn Ansehen auf Freund-, Gevatter- oder Nachbarschaft; der Umgelter
, der aufschrieb, was in Wirtschaften ausgeschenkt wurde, hatte dieses auf »Körbhölzern
« (= Kerbholz) zu vermerken, der Weinsticher mußte Weinkäufer sowohl zu Armen
als auch zu Reichen führen und freien Kauf garantieren, der Feldmärker durfte niemandem
zu Freud oder zu Leid märken (Marksteine setzen oder verändern), der Brot- und Fleischschauer
mußte Brot nachwiegen sowie Fleisch schätzen und begutachten ('Lebensmittel-
kontrolldienst'), der Feuerschauer alle viertel Jahre die Kamine. Öfen und Backöfen kontrollieren
. Der Bott mußte alles verrichten, was ihm anbefohlen wurde. Alle Untertanen

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