Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
16. Jahrgang.1996
Seite: 61
(PDF, 45 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-1996-16/0063
"Der Herbst in diesem Jahr ist sehr klein"
Weinertrag in Baden und in Kenzingen

von Ursula Huggle

Der Wein und seine Bedeutung im Alltag

Brot und Wein sind viele Jahrhunderte hindurch die wichtigsten Grundnahrungsmittel gewesen
, ihrem Erwerb galt alles Sinnen und Trachten der Menschen. Selbst Klosterfrauen fanden
sich eher mit schlechtem Haferbrot ab, als daß sie auf den Wein verzichteten. Die Fronarbeiter
erhielten Wein und Brot zur Stärkung, Lehrer und Pfarrer hatten zusätzlich zur Bezahlung
Anspruch auf Getreide und Wein. Welch ein Jammern und Klagen herrschte, wenn wegen
schlechter Ernte nur die Hälfte des üblichen Weinkontingents an die Kenzinger Beamten ausbezahlt
wurde1! Noch im 19. Jahrhundert hatte ein Hilfsarbeiter in Kenzingen Anspruch auf
vier Schoppen täglich, das sind knapp 1,5 Liter! Eine Frau erhielt "nur" eineinhalb Schoppen,
etwa 0,36 Liter2. Aber nicht nur Nahrungsmittel und Durstlöscher ist der Wein, er hat auch
Symbolcharakter. Es sei nur an seine Bedeutung beim Abendmahl erinnert. Als Rechtssymbol
diente er früher zum Besiegeln eines Vertrags. Erst durch den sogenannten "Weinkauf', das
gemeinsame Weintrinken der Geschäftspartner, erlangte ein - mündlich abgeschlossenes -
Geschäft bzw. ein Vertrag damals Rechtsgültigkeit. Nicht zuletzt wurde mit dem Anbau von
Wein auch Geld verdient, was die Weinbauern dazu veranlaßte, Witterung, Ertrag und Preis
fleißig zu beobachten. In Hausbüchern notierten die Bauern daher schon seit Jahrhunderten,
wie der Herbst in den einzelnen Jahren ausgefallen war und wieviel der Ohm Wein eingebracht
hat.

Minutiös verzeichnete auch der Bauer Xaver Wagner aus Kenzingen in seinem "Hauß-Buch ",
was der Wein in jedem Jahr kostete, und ob es viel oder wenig, sauren oder guten Wein gegeben
hatte3. Zum Jahr 1796 bemerkte er: "Die Reben hat es so verdorben, das man kein Zucht-
holß mehr hat können pflanzen*". In anderen Jahren waren es Schädlinge, die den Reben
zusetzten: "Die wönige Trauben, so mir noch an den Reben hangen haben, so nicht durch
Mählthau und vielem Regenwetter gäntzlich verdorben worden seynd, hat das sehr gutte Späthjahr
noch guth und reuf gemacht5". Infolge der Witterung konnte es also vorkommen, daß erst
an Allerheiligen geherbstet wurde 6.

Wein war für Wagner aber mehr als Getränk und Nahrungsmittel sowie wichtige Einnahmequelle
- er spendete auch Trost in den Widrigkeiten des Lebens: "... nur ist es schadt, wann
man denselben verkaufen muß. Wann man viel von demselben trüngen duth, so ist mann lustig
und fröhlig, und mann hat alles genug 1". Gute Jahre wechseln mit schlechten ab - drei Jahre
später, 1837, mußte Wagner am eigenen Leib erfahren, was von der Ernte noch übrigbleibt,
wenn der Hagel die Reben zusammenschlägt: "Die Faß bleiben lähr, das Weintringen hat ein
End. Wann ich Durst hob, so muß der Grug an den Brunnen spatzsieren%".
In so schlechten Weinjahren tat man alles, um den Wein zu "schönen", ihn zu verbessern oder
gar zu strecken. Letzteres lehnte Bauer Wagner ab, er gab sogar eine sichere Methode an, mit
welcher man feststellen konnte, ob der Wein mit Wasser gestreckt worden war. Gegen das Verbessern
des Weins hatte er indessen nichts einzuwenden. Bei "stienkenden Wein " mußte man
schließlich etwas tun, daher empfahl er, rote Benediktenwurzel dem Wein zuzugeben. In Vörstetten
notierte der Bauer Andreas Leimenstoll, wie man einen delikaten Muskatwein herstellen
kann, indem man nämlich dem Wein bestimmte Wurzeln und Rosenblätter beifügt. Er
befaßte sich auch damit, einen Wein älter zu machen durch Hinzufügen von Wacholder und
Weinsteinöl9.

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