Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
18., 19. und 20. Jahrgang.1998-2000
Seite: 14
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Helmut Reiner

Wozu beschäftigen wir uns mit der Geschichte1?

Der Zeitgeist schwankt zwischen zwei Extremen: Heimattümelei und Geschichtslosigkeit. Er-
stere hat zweifellos Tradition. Das Zweite resultiert aus einem Mangel an Identität, hervorgerufen
durch eine Entwurzelung und Sinnentleerung des Daseins, angetrieben durch einen
kommerziell ausgerichteten Lebensstil, mit der Folge einer zunehmend globalen kulturellen
Nivellierung und einer allgemeinen Orientierungslosigkeit.

Von allen Lebewesen hat nur der Mensch ein Bewußtsein seiner Geschichte. Mit ihr und aus
ihr leben war von jeher ein Zeichen für den hohen Grad an Bewußtheit, mit der die Veränderungen
der eigenen Zeit gespürt und begriffen werden. Unter diesem Aspekt hat sich vor nahezu
20 Jahren die Arbeitsgemeinschaft für Geschichte und Landeskunde in Kenzingen e.V.
konstituiert. In einer Zeit, in der sich die Weltkulturen immer näher kommen, müssen wir
auch die Kulturdifferenzen erkennen. Das setzt Klarheit im Denken und einen eigenen Standort
voraus. Was läge näher, als sich auf unsere eigene Geschichte zu besinnen? Sebastian
Haffner sieht das so: "Erst der Mensch, der seine eigene Vergangenheit so durchschaut und
beherrscht, wie er die außermenschliche Natur zu durchschauen und beherrschen gelernt hat,
erst der wird wirklich sein eigener Herr2."

In unseren zahlreichen Detailbeiträgen in der Pforte und in der vor kurzem erschienenen Geschichte
der Stadt Kenzingen' können wir Rückschau und Reflexion tätigen über das Geschehen
unseres Gemeinwesens. Ermutigende, aber auch deprimierende Resultate werden das Ergebnis
sein. Inmitten der Geschichte ist auch die Trauer, sagt Peter Hüchel.

Walter Jens spricht von der Enge der Heimat, aber auch von der Geborgenheit, die sie geben
kann. Nur an das Topographische zu denken wäre eine Verkürzung. Heimat ist auch Sprache,
Kultur, Gemeinsamkeit, kurzum: Leben. Ein Sohn unserer Stadt, der Philosoph, Husserl- und
Heideggerschüler Heinrich Ochsner, sagt dazu: "Es geht nicht nur um die Geschichte irgendeines
geographischen Ortes, der Kenzingen heißt, sondern um die Geschichte unserer Heimati
...). Geschichte der Heimat aber ist zunächst und wesentlich Geschichte unseres Heimischwerdens
in der Heimat (...). Eine Geschichte also, die ein jeder mit seiner Heimat bekommen
muß, wenn er selbst werden, d.h. wenn er sein menschliches Sein zur Entfaltung
bringen soll (...). Ist Heimat aber eine Bestimmung des menschlichen Geistes, dann muß sie
selbst beheimatet sein im Geiste4".

Sich in diesem Sinne mit der eigenen, der Kenzinger Geschichte, anzulegen heißt, sie zu kennen
, sich mit ihr auseinanderzusetzen und wo es möglich ist, sich mit ihr zu identifizieren.

All jenen Menschen, die uns in diesem Vorhaben unterstützt haben durch Tat, Wort und
Schrift, gilt an dieser Stelle nochmals unser Dank. Auch in der Vergangenheit unserer Stadt
waren es die Ereignisse und die daraus resultierenden Spannungen und Konflikte, die immer
das Zusammenleben ausmachten. Deshalb hat Nietzsche wohl recht, wenn er meint, der Geschichtsschreiber
hat es primär nicht mit der Wahrheit zu tun, sondern mit den vermeintlichen
Ereignissen. Der Meinungsstreit der Historiker scheint dies zu bestätigen.

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