Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
18., 19. und 20. Jahrgang.1998-2000
Seite: 179
(PDF, 40 MB)
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Menschen. Kenzingen und seine Pfarrer! Viele lebten und arbeiteten hier mit großem Engagement
und bewirkten viel. Mit dem einen oder anderen gab es Streit. Manche Konflikte können
wir heute noch nachvollziehen, andere nicht. Nur drei Jahre - von 1659 bis 1662 - wirkte Pfarrer
Sorrin in Kenzingen. Bei einer heftigen Auseinandersetzung warf er der Stadt vor, dass sie
ihm mit List und Betrug und Schwindel die Pfarrgüter wegnehme. Er müsse gar Hunger und
Durst erdulden. Der Streit mit dem Stadtrat hatte noch einen anderen Hintergrund: Man erhob
gegen den Pfarrer wegen seines Lebenswandels die allerschwersten sittlichen und moralischen
Anschuldigungen. Schließlich verließ der Pfarrer auf Veranlassung des Bischofs die
Stadt.

1756 wirkte Pfarrer Grechtler hier - ebenfalls nicht konfliktfrei: Im Protokoll der Ratserneuerung
heißt es: "Anscheinend Streit mit dem Pfarrer, der ein wunderlicher Herr sei und vom
Magistrat nur von Hunden und Canaillen rede". Lag es nur an der Person des Pfarrers? Zum
Streiten gehören in der Regel zwei. Lesen wir im Protokoll weiter: "Im Rat seien einige des
Lesens und des Schreibens nicht kundig. Ist das anständig? Die Stadt möge die Bürger zu
fleißigerem Kirchenbesuch anhalten. Viele kaum einmal im Jahr in dem Gottesdienst gesehen
", vermerkt die Obrigkeit weiter kritisch.

Der Gottesdienstbesuch der Kenzinger bereitete noch manchem hiesigen Pfarrer Probleme.
Drei große Sorgen hatte Pfarrer Wild, der von 1819 bis 1831 hier wirkte: Erstens das Verhalten
der Pfarrangehörigen beim Gottesdienst. Viele waren unpünktlich, besonders Frauen und
Mädchen schwätzten während des Gottesdienstes und der Predigt. Andere standen während
der Gottesdienstzeit vor der Kirche herum. Zweitens der geringe Stellenwert, den der Schulbesuch
der Kinder bei vielen Eltern hatte. Er verstand nicht, dass Eltern ihre Kinder arbeiten
lassen mussten, zuungunsten des Schulbesuchs. Und drittens der bauliche Zustand der Pfarrkirche
. Die Chorkuppel war baufällig, die Kirche verwahrlost, die Sakristei feucht, die Bodenplatten
zerbrochen, das Dach undicht.

Großen Ärger bereitetem ihm weiterhin die Unpünktlichkeit der Pfarrangehörigen beim Abliefern
der Beichtzettel und die Unbelehrbarkeit mancher Frauen und Mädchen, die im Gottesdienst
trotz aller Mahnungen weiter schwätzten. Sein weiterer Vorwurf ist für uns heute lebenden
Menschen unverständlich: Ihm missfiel, dass die Frauen ihre Kleinstkinder mitbrachten
und sie - wie er meinte - lallen, laufen und stören ließen. Hart ging er auch mit der Stadtverwaltung
ins Gericht: Diese unternehme nichts gegen - so Originalzitat - "die sodomistische
Scheußlichkeit des nackten und öffentlichen Badens im hellen Strahle des Tages an mehreren
Stellen des Elzflusses".

Doch Pfarrer Wild engagierte sich auch sehr für das Gemeinwohl der Stadt. Als 1826 durch
einen durchziehenden Handwerksburschen die Pocken in die Stadt kamen, rief er eindringlichst
zur Schutzimpfung auf. Er initiierte eine Sammlung von Musikinstrumenten, und kann
somit als Gründer der Kenzinger Stadtmusik angesehen werden. Er sorgte auch für die Anschaffung
einer Lesebibliothek, damit die einfachen Leute sich weiterbilden konnten.

Pfarrer Bernhard Dischler, der von 1837 bis 1865 in Kenzingen wirkte, war gleichfalls über
den seelsorgerlichen Zustand der Gemeinde besorgt. Er initiierte deshalb eine Visitation, die
Erzbischof Ignaz Demeter persönlich abhielt. Werfen wir einen Blick in das Visitationsprotokoll
: "Wenn wir auch gerne zugeben, dass öffentliche Religionsprüfungen insbesondere im
Angesichte des Erzbischofs und einer großen Menge Volks nicht als maßgebend zu einem
richtigen Urteil angenommen werden können, so blitzen doch auch von Prüfungen für den erfahrenen
Kinderfreund einige Funken hervor, welche auf den ganzen Unterricht schließen
lassen. Aber auch diesen Funken vermißten wir, so dass wir uns zur Ehrenrettung der frühe-

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