Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
21., 22. und 23. Jahrgang.2001-2003
Seite: 92
(PDF, 49 MB)
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Edgar Hellwig

" Vorgenomben vnndt Vollenzogen widerumb das Erste Mahl auff
dem New Erbawten raths haus ..."

Zum Wiederaufbau der Stadt und ihres Rathauses nach der Zerstörung Ken-
zingens im Dreißigjährigen Krieg

Ohne Zweifel eines der einschneidendsten Ereignisse in der über 750-jährigen Geschichte
Kenzingens war - nicht zuletzt unter bauhistorisch-denkmalpflegerischen Aspekten, denen
"Die Pforte" anlässlich der Veröffentlichung des archäologischen Stadtkatasters mit diesem
Band einen Themenschwerpunkt widmet - die fast völlige Zerstörung der Stadt anno 1638, im
Dreißigjährigen Krieg. Begonnen hatte der 1618 mit dem Prager Fenstersturz ausgelöste Krieg
als militärisch organisierter Aufstand der protestantischen Stände Böhmens gegen ihren katholischen
Landesherrn, den habsburgischen Erzherzog und 1619 zum Kaiser gewählten Ferdinand
IL, dem sie die Legitimation absprachen, weil er ihnen unter Missachtung ihrer verbrieften
Privilegien der freien Königswahl und der Religionsfreiheit als König vorgesetzt worden
war. Geschürt von den trotz des Augsburger Religionsfriedens von 1555 weiterschwelenden
konfessionellen und politischen Spannungen im "Heiligen Römischen Reich Deutscher
Nation", nahm der reichsinterne Bürgerkrieg durch die Verwicklung des Hauses Habsburg in
den Konflikt bald europäische Dimensionen an. Denn die macht- und konfessionspolitischen
Ziele der seit der freiwilligen Abdankung Kaiser Karls V im Jahr 1556 in zwei Linien sowohl
im Reich wie in Spanien herrschenden Habsburger kollidierten mit den Interessen nicht nur der
protestantischen Reichsfürsten, sondern auch verschiedener europäischer Mächte: etwa mit
denen der holländischen Generalstaaten in ihrem Freiheitskampf gegen Spanien, des protestantischen
dänischen Königs an den norddeutschen Bistümern, Schwedens an der Stärkung des
Protestantismus und an der Vorherrschaft über die Ostsee, schließlich Frankreichs an einer
Schwächung Habsburgs und am eigenen Machtzuwachs.

Schon in den ersten zwölf Kriegsjahren ächzten die damals etwa 2000 Einwohner der vorderösterreichischen
Stadt Kenzingen unter der Einquartierung von Soldaten, hohen Kriegskontributionen
und häufigen Schanz- und Fuhrfronen sowie unter den zusätzlichen Belastungen
immer dann, wenn bei Gefahr die Bevölkerung der vorderösterreichischen Dörfer und Marktflecken
in der Nachbarschaft sich Schutz suchend in die Stadt flüchtete. Darüber hinaus waren
die Kenzinger "bereits über die maßen übel traktiert"1 worden mit Brandschatzungen (Erpressung
von Geldern unter Androhung des Niederbrennens), Plünderungen und mit der Verwüstung
von Ackerfluren und Weinbergen durch vorbeiziehende "KriegsVölker" geworbener Söldner
, deren Kopfzahl die der Stadtbevölkerung meist um ein Mehrfaches übertraf. Begleitet
waren sie von einem die Zahl der Söldner oftmals weit übersteigenden Tross aus Schanz- und
Fuhrknechten, Trossbuben, Handwerkern, Soldatenfrauen und -kindern, Marketendern, Lagerdirnen
, entwurzelten Abenteurern, Beutel- und Halsabschneidern. Aber all das, worunter die
Einwohner der Stadt in diesen Jahren zu leiden hatten, waren bisher "nur" mittelbare Auswirkungen
und Folgen des Krieges - vom Schlachtenlärm war der Breisgau zunächst weitgehend
verschont geblieben. Doch der Einmarsch eines von Schwedens König Gustav Adolf persönlich
geführten Heeres ins Reich im Jahr 1630 eröffnete, und der nach jahrelanger verdeckter
Beteiligung 1635 offen vollzogene Kriegseintritt Frankreichs verlängerte den letzten, längsten
und grausamsten Akt des "europäischen Kriegstheaters". Das Stück, das gegeben wurde, war
einLand und Leute verderbendes, blutiges Ringen um die Vorherrschaft im Reich und in Europa
, das weite Landstriche Deutschlands verheerte und entvölkerte. Und das Oberrheingebiet,
wo Vorderösterreich mit den elsässischen Besitzungen der Habsburger auf das linke Rheinufer
ausgriff, sollte bis zum Friedensschluss, annähernd zwei Jahrzehnte lang, einer der Hauptschauplätze
des mörderischen Schauspiels werden.

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