Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
21., 22. und 23. Jahrgang.2001-2003
Seite: 99
(PDF, 49 MB)
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Auch alle diejenigen Hofstätten, die wegen Tod oder Wegzug der früheren Besitzer bzw. wegen
fehlender Erben verwaist waren und dadurch gemäß dem Stadtrecht von 1283 als an die Stadt
„haimb gefallen"29 galten, versuchte die Stadt zugunsten des Stadtsäckels an neu zugezogene
Interessenten zu veräußern, oft verbunden mit der Auflage, innerhalb Jahresfrist zu bauen, um
den Wiederaufbau der Stadt zu forcieren. Allerdings gab es auch ein Vierteljahrhundert nach
Ende des Krieges noch solche herrenlosen und damit an die Stadt heimgefallenen Trümmergrundstücke
in Kenzingen. So verkauften Schultheiß, Bürgermeister und Rat laut Protokoll
vom 12. Mai 1674 an Daniel Hetzel ,,ein[e] abgeprandte Hoffstatt, worauff vor diesem Ein
Haus vndt [ein] scheürlin gestanden, vndt Moritz Isenbers seel:[ig] zue gehörig gewesen, Für
vndt vmb 12ß. [Gulden]" die in zwei Raten von je 6 Gulden an Martini 1674 und 1675 zu entrichten
waren30.

Zwar galt diese Rechtsfigur des „Heimfalls" nicht nur für die erbenlosen Liegenschaften in der
Stadt, sondern auch für verwaiste Äcker, Wiesen und Felder außerhalb ihrer Mauern. Doch in
der Feldflur lagen die Dinge komplizierter. Zum einen ist damit zu rechnen, dass infolge des
massiven Bevölkerungsverlustes vermutlich weite Teile der einst für die Ernährung von etwa
2000 Menschen ausgelegten Felder und Ackerflächen öd gefallen oder überwuchert und Wiesen
versumpft waren. Grenzsteine waren verloren gegangen, umgefallen oder nicht mehr auffindbar
, und wahrscheinlich war auch das mündlich überlieferte Wissen von „Markern", die für
die Setzung und Überwachung der Grenzsteine verantwortlich waren, und von Bannwarten
weitgehend verloren gegangen. So ging man im November 1666 daran, die Auswärtigen, die
im Stadtbann Matten (Wiesen) besaßen, ausfindig zu machen, um sie mit einer „leidenlichen
steür" belegen zu können". Und im März 1668 erging der Ratsbeschluss, die Markung der Allmende
(gemeindeeigener Grundbesitz zu gemeinschaftlicher Nutzung), wo nötig, fortzusetzen32
. Auch schriftliche Unterlagen der Stadt zu den Besitzverhältnissen in der Feldflur, Vorläufer
des amtlichen Grundbuchs, waren durch Kriegseinwirkungen offenbar verloren gegangen
. So wurde Joß Hedemann aus der Grafschaft Lippe, Tochtermann eines Kenzinger Bürgers
, bei der Beanspruchung seines Erbes, weil außer einer Wiese weitere Grundstücke nicht
zu ermitteln waren, vom Rat „aus mit leiden" mit 12 Reichstalern abgefunden. Ob hier ein
Stadtfremder angesichts unklarer Verhältnisse vielleicht einfach „abgespeist" wurde, lässt sich
nicht ermitteln.

Eine grundsätzliche Ordnung aller der Teile der Feldflur, die sich nicht aufgrund klarer Besitztitel
in der Hand von Bürgern, Hintersassen oder Körperschaften (z.B.Klöstern) befanden, kam
erst 1673, fast zwei Jahre nach Wiederaufbau des Rathauses, auf die Tagungsordnung des
Rates. Im März wurde damals beschlossen, dass „die guetter, So kheine aigne maister [haben],
jedoch gebawen werden, [...] von gesambter burgerschafft vnndt [von] Jedem in particulari
[jedem Einzelnen] auskundtschafftet, vnndt zue gemeiner Statt schaffney [Verwaltung der städtischen
Liegenschaften], vmb Ein billichen Zynns aus zue lehnen, gezogen werden" sollten34.
Erst zweieinhalb Jahrzehnte nach Kriegsende ging das städtische Regiment also daran, die herrenlos
gewordenen Ackerflächen, die in der Not der Kriegs- und Nachkriegszeit von Überlebenden
und neu Zugezogenen anscheinend auch ohne rechtsgültigen Besitztitel unter den Pflug
genommenen worden waren, mit Hilfe der Einwohnerschaft ausfindig zu machen, damit sie der
Verwaltung durch die städtische Schaffnei unterstellt werden konnten, von der sie gegen einen
angemessenen Pachtzins an Bürger verliehen werden sollten. Offenbar waren in der Nachkriegszeit
Eigentumsfragen in der Feldflur zunächst hinter die Notwendigkeit zurückgetreten,
die noch nutzbaren Acker- und Wiesenflächen anzubauen, um das Überleben der dezimierten
Bevölkerung sicherzustellen. Mit der Regelung der Eigentumsfragen in der Feldflur wurde dieser
„wilde" Zustand beendet; zugleich erschloss sich die Stadt mit der Verpachtung der „heimgefallenen
" Grundstücke eine weitere Einnahmequelle.

Wiederholt kam es bei Grundstücksverkäufen vor, dass ein bereits vollzogener Eigentümerwechsel
angefochten wurde und jemand nachträglich Ansprüche auf eine Hofstatt oder ein

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