Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
24. und 25. Jahrgang.2004/2005
Seite: 9
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I. Köndringen

Ankunft in der Winzerhalle

Jose räumt seine Bücher in den Spind: einen kleinen Stapel; das Gepäck war schwer genug.
Jose ist Student, ein Bücherwurm. Seine Eltern würden ihm weiteren Lesestoff nachschicken.
Aber erst muss er sich hier niederlassen, eingewöhnen. Sein Koffer ruht auf einer für ihn neuen
Art von Bett: zwei Liegen zusammen, eine über der anderen. Das Wort „Stockbett" muss er
erst noch lernen. Bisher kannte er nur die bequemen, behaglichen Betten der Schlafzimmer in
Toulouse. Alles das - und damit meint er auch die ordentlich aufgereihten Holzspinde - ganz
neu, sehr bequem und sehr sauber. Wir sind wirklich bestens untergebracht. Die Deutschen, die
wir gesehen haben (im Zug und in Karlsruhe haben wir viele gesehen), waren tadellos; wir
haben ständig mit ihnen gesprochen. Wir machen Fortschritte in deutsch1, schreibt Jose am
Samstag, dem 31. Juli 1943, einen Tag nach seiner Ankunft an seine Mutter.

„Wir", damit meint Jose sich und weitere 24 Studenten des Jahrgangs 1922 aus Toulouse und
Umgebung, die wie er dabei sind, sich in Köndringen einzurichten. Es ist laut; ihre Stimmen
und Schritte hallen wider von den Wänden, die Spindtüren klappern. Unter der filigranen
Holzkonstruktion des Dachgewölbes ist der Raum weit und hoch und lädt dazu ein, laut zu
sprechen. Es ist die Winzerhalle von Köndringen, eine Art Festsaal (er hat eine Bühne), ganz
hübsch, mit einem Dach in Form eines Gewölbes2 steht im Brief. An einem anderen Julitag, 55
Jahre später, wird Jose Cabanis ergänzen: Man hatte uns in Köndringen, in einem , Winzerhalle'
genannten Saal untergebracht. In Friedenszeiten feierte man dort die Weinlese/ Und was die
Bequemlichkeit der Stockbetten angeht, wird er hinzufügen: Man muß einräumen, daß ich in
meinem Alter auch auf den Brettern dieser Stockbetten, in einer Decke und ohne weitere Bettwäsche
, gut schlief. Ich achtete darauf deutlich zu machen, daß diese große Halle zum Feiern
von Festen diente. Das war ein wichtiges Detail für meine Eltern. [Sie sollten sich keine Sorgen
machen]. Wenn man mich so hörte, badete man, wann man wollte, man ging nach
Freiburg. In Wirklichkeit aber war es todlangweilig in diesem winzigen Dorf, das eine weibliche
Präsenz vielleicht wenigstens hin und wieder in ein kleines Paradies verwandelt hätte.
Davon natürlich kein Wort an meine Eltern. Und ich weiß nicht, was sie dachten.4

Und Jose fuhr fort: Wir hatten eine sehr annehmbare Reise. Sie wäre fast angenehm gewesen,
wenn wir nicht diese Koffer hätten schleppen müssen. Gestern abend sind wir hier angekommen
: in Köndringen, einer kleinen, sauberen Stadt, 20 km von Freiburg? Als 75-Jähriger erinnert
sich Cabanis: Köndringen war nur ein Dorf, ohne Baum, wenn ich mich recht erinnere,
und im Unterschied zu vielen anderen ohne Reiz. Zudem war es protestantisch, mit einer evangelischen
, aber keiner katholischen Kirche. Es hatte nicht zum Hause Österreich gehört und
war daher nicht katholisch. Wenigstens nahm ich das an, und, durch und durch Römischer
Katholik, habe ich mich dort nie gerne aufgehalten. Ich muß sagen, ich lernte da nicht eine
[einzige] Frau kennen. Kenzingen, wohin ich im folgenden Oktober abgeschoben werden
sollte, war hingegen eine kleine, sehr katholische Stadt, und es fehlte nicht an „menschlichen
Ressourcen ", wie man heute sagt.6

1 Cabanis, Lettres, S. 17.
Ebd.
1 Ebd., S. 21.

4 Ebd.

5 Ebd., S. 16.

6 Ebd., S. 20 f.

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