Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
24. und 25. Jahrgang.2004/2005
Seite: 54
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etwas auf die Politik Bezogenes zu sagen, da, wenn man es entdeckt hätte, ich ohne großen
Aufliebens gehängt worden wäre. Denn diese Herren der Nationalsozialistischen Partei, die
man mit einem Hakenkreuz im Knopfloch herumgehen sah, und die prachtvoll herausgeputzten
SS-Leute, die ein paar Schritte weiter einquartiert waren, hatten keine Nachsicht und kein Verständnisfür
den, der falsch dachte. Wenn ich also den Sieg der Alliierten wünschte, war es vor
allem derjenige der Sowjets, von denen ich hoffte, daß sie ein wenig Gerechtigkeit in diese Welt
bringen würden.

Man wußte nicht mehr, wie der Krieg enden würde, ob die Deutschen nicht noch lange Widerstand
leisten würden, ob es nicht zu einem Kompromiß kommen würde, bei dem wir vergessen,
als Nichts oder Fabrikarbeiter auf Lebenszeit angesehen würden, oder ob die Alliierten endlich
den Rhein überqueren und uns bei ihrem Durchzug im Drunter und Drüber hinwegfegen würden
. Nichtsdestoweniger arbeitete ich weiterhin daran, Schriftsteller zu werden; ich las, kommentierte
, beurteilte Mauriac und Flaubert, wobei ich bei ihnen vor allem das herausarbeitete,
was man nicht tun soll. Dies ist das Einzige, was man von anderen lernen kann. Ich hatte ein
Selbstvertrauen, das ich nicht mehr besitze. Ich war überzeugt, daß, wenn ich bei dem Abenteuer
nicht auf der Strecke bliebe, ich etwas zustande bringen würde.™

Der Sturm bricht los

Der schwere Jagdbomberangriff auf Kenzingen am 29. Dezember 1944 mit verheerenden
Gebäudeschäden und dem Tod mehrerer Menschen brachte zum Jahresende die bittere Realität
des Krieges zurück und erinnerte daran, dass im Jahr 1945 Entscheidungen zu erwarten waren.
Wie würden diese auf militärisch-politischem Gebiet ausfallen? Welches ist das weitere
Schicksal der französischen Studenten im Arbeitseinsatz in Kenzingen? Wird Jose 1945 überleben
und wenn ja, wie? Mit Anna oder ohne sie? Wird er die Belastung des Ausgesetztseins
im Land der Feinde weiter ertragen?

Abb. 41 Johanniterstraße, 29.12.1945 Abb. 42

Der erste Eintrag im neuen Jahr 1945 stammt vom 2. Januar: Ein Jahresanfang ohne Schwung.
In diesem Augenblick empfinde ich für Anna nur eine etwas traurige Zärtlichkeit. Ich langweile
mich mit ihr und finde sie fade.133 Jose fühlt, daß sie ihm langsam entgleitet, obwohl sie einen
so zentralen Platz in seinem Leben einnimmt, und er fürchtet sich vor der Leere, die sie hinterlassen
wird. Nach weiteren zwei Wochen verwirft er seinen ursprünglichen Plan eines

Cabanis, Les profondes annees, S. 242 ff.
Ebd., S. 245.

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