Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
24. und 25. Jahrgang.2004/2005
Seite: 80
(PDF, 30 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2005-24-25/0082
Beifall und Anerkennung blieben Jose Cabanis nicht versagt, aber anders als man aufgrund
seines schriftstellerischen Erfolges und des gelegentlich unbekümmerten, jugendlichen
Auftretens in Deutschland hätte erwarten können, war Cabanis nicht der Mensch, der seinen
Ruhm genießen konnte oder wollte. Bescheidenheit, Selbstkritik, geistige Unruhe ließen ihn
sein Leben und sein Schaffen immer wieder von neuem in Frage stellen, wobei Analyse und
Vergleich von Vergangenheit und Gegenwart das Werkzeug einer schonungslosen Selbsterkenntnis
waren, einer Rückbesinnung, die mit zunehmendem Alter schärfer, düsterer, melancholischer
und sich selbst gegenüber vielleicht ungerechter wurde. Der Unterschied zwischen
dem Jüngling, der sich bemühte, die Widrigkeiten der Fremdarbeit mit Optimismus und guter
Moral zu besiegen, der die sich ihm bietenden Freuden durchaus nicht verschmähte, und dem
Mann, der seinen Lebensabend zurückgezogen, alleine in seinem großen, leeren Haus verbringt
und den Zweifel plagen, ist deutlich und faszinierend zugleich.

Im Juli 1998, mit 76 Jahren, kommentiert Cabanis einen Brief vom Juli 1943, als er nach
Köndringen kam: Der Vergleich [von damals] mit heute fällt nicht zu meinem Vorteil aus.m Er
vermisst den Mut, die Zuversicht, die ihm in jenen Tagen Kraft gaben und bedauert: Meine
Furcht, mein Mißbehagen, und - ich muß gestehen - meine Verzweiflung, ich lasse sie an denen
aus, die mir nahe sind. Ich möchte getröstet werden, weil ich krank, leidend bin, weil ich mir
wegen der kommenden Untersuchungen Sorgen mache, weil ich unfähig bin, ein sorgloses
Gesicht zu machen, alles für mich zu behalten, nicht das Leben der anderen zu vergällen, die
ihre eigenen Sorgen und Leiden haben und die ich zwinge, die meinen zu tragen. Ich schäme
mich. 1943 war ich jung und hoffte vermutlich auf eine Zukunft, in der sich alles einrenken
könnte, wohingegen ich weiß, daß mich jetzt nur Leiden erwarten und der Tod.19,1

Sicher zu Recht erwähnt
Fumaroli in seiner Laudatio
vor den Mitgliedern der
Academie fran9aise auch
die „quälenden Fragen, die
Versuchungen, die Stunden
des Zweifels, der Gewissensbisse
und der Schuldgefühle
", die Cabanis heimsuchten
. Umso mehr überrascht
, daß er ihn auch sieht
als „alten Mann, welcher
sich die Spontaneität seiner
frühen Jahre bewahrt hat"191.
Hier ist sie wieder, die Widersprüchlichkeit
, die ihn
sogar über seinen Tod hinaus
begleitet, die sich gelegentlich
selbst in seinen
sonst zurückhaltenden Stil
einschleicht und die in seiner
Kenzinger Zeit schon
deutlich zutage trat.

IM Cabanis, Lettres, S.15.
Ebd., S. 16.

' "' Würdigung Jose Cabanis' vorgetragen von Marc Fumaroli in der Sitzung vom 12.10.2000.

Abb. 59: Cabanis im Park seines Hauses in Nollet

80


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2005-24-25/0082