Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 4885
Die Pforte
24. und 25. Jahrgang.2004/2005
Seite: 83
(PDF, 30 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2005-24-25/0085
Elternliebe

Höhen und Tiefen in der Beziehung zu seinen Eltern gab es für Cabanis besonders in seiner
Köndringer Zeit, als er sich der ausbleibenden Briefe wegen von ihnen vernachlässigt fühlte.
Die sich aus diesem Missverständnis ergebende Korrespondenz und vor allem die später dazu
verfassten Anmerkungen zeigen jedoch, wie eng Jose Cabanis sich seinen Eltern verbunden
fühlte. Erst durch die Trennung ist ihm wirklich bewusst geworden, wie tief seine Hinneigung
zu Mutter und Vater war. Diese Liebe zu ihnen ist für sein ganzes Leben in gleicher Intensität
bestimmend geblieben (59).

Wenn auch die Briefe anderes vermuten lassen, ist die Liebe zu seinem Vater besonders innig,
wofür Cabanis eine Erklärung hat: Mama hatte Gott und ihre anderen Kinder, während ich für
meinen Vater das Licht seines Lebens war 208 (vgl. 14). Ihm und seiner Mutter zuliebe hat er
sein ganzes Leben so eingerichtet, dass er immer bei ihnen in Toulouse, im selben Haus sein
konnte, denn er wusste, dass er der einzige Lebensgrund für sie war. Wenn er sich auch gelegentlich
fragte, ob er ihnen nicht zuviel seiner Existenz geopfert habe, so überwog doch immer
bei weitem die Genugtuung über das Glück, das er ihnen auf diese Weise bereitete: Was ich mir
mehr als alles andere wünschen würde, wäre [noch einmal] das Glück zu sehen, das ihre
Gesichter ausstrahlten, wenn ich vor ihnen stand.2m Von allen Themen, die Jose Cabanis zeit
seines Lebens beschäftigten, hat er wohl das Verhältnis zu seinen Eltern am zufriedenstellendsten
für sich gelöst. Stets sah er in der gegenseitigen Zuneigung das Glück seiner Eltern, das zu sichern
ihm zu seiner vollen Genugtuung gelang und das somit auch auf ihn zurückfiel.

Liebe und Leidenschaft

In Cabanis' Romanen ist die leidenschaftliche, leidende und letzten Endes unvollkommene,
weil endliche Liebe ein Grundthema. Wie der berühmte rote Faden zieht sich seit den ersten
unglücklichen Erfahrungen seiner Jugendjahre und frühen Aufzeichnungen der Liebesschmerz
durch die menschlichen Begegnungen in seinen Werken: Liebesglück bleibt immer nur episodenhaft
. Seine erste Liebe mit 17 Jahren (vgl. 35) fällt noch in die herrliche Zeit, die er in Val-
gros verbrachte, aber: Ich wäre dort [in Valgros] glücklich gewesen, wenn ich damals nicht
diese Liebe im Herzen gehabt hätte.1'0 Sie zerstört sein Glück, denn sie scheitert und löst
dadurch Denk- und Verhaltensstrukturen aus, die bereits seine Liebeserfahrungen in Kenzin-
gen entscheidend bestimmen und sich Jahrzehnte später in seinen Romanen wiederfinden: Sie
führen den Menschen von unendlichem Glück über verzehrende Leidenschaft in tiefste Enttäuschung
, sie bereiten Freude, Schmerz, Trauer, sie leben von Zärtlichkeit, Sinnlichkeit und
Abscheu, sie pendeln zwischen Völlendung und Zerstörung.

Die Frage, ob diese Dualität der Extreme auch Jose Cabanis' späteres Eheleben bestimmt habe,
beantwortet sein Sohn Andre im Stil seines Vaters mit einem knappen „Ich glaube, ja".2"

Zum Widerspruch zwischen Erwartung und Erfüllung in der Liebe kommt bei Cabanis noch
die zusätzliche, für ihn typische Spannung zwischen leichtfertigem, oberflächlichem Vergnügen
für den Augenblick und der tiefen, dauernden Empfindung einer in moralisch-religiöse
Werte wie Treue, Wahrheit, Vertrauen eingebundenen Liebe. Es entspricht ganz seiner immer
wieder auch von ihm selbst festgestellten inneren Widersprüchlichkeit, dass er die flüchtige
Begegnung durchaus vollzieht, gleichzeitig aber, von ihrer Oberflächlichkeit und Banalität

208 Cabanis, Les profondes annees, S. 180.

209 Ebd.

210 Ebd., S. 10 f.

211 E-Mail vom 19.2.2004.

83


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/pforte-2005-24-25/0085